Entscheidungsstichwort (Thema)

Vereinbarte Anwendbarkeit öffentlich-rechtlicher Vorschriften im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer zueinander

 

Leitsatz (amtlich)

Vereinbaren die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft, dass die Gemeinschaftsordnung so auszulegen sei, dass jeder Eigentümer im wirtschaftlichen Ergebnis so zu stellen sei, als ob er Alleineigentümer – frei von den Beschränkungen des Wohnungseigentumsrechts – seines Gebäudes und seiner Sondernutzungsbereiche wäre und somit u.a. bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der anderen Eigentümer vornehmen dürfe, ist die Errichtung solcher baulicher Anlagen (hier: Sichtschutzzaun) im Grenzbereich der Sondernutzungsrechte zustimmungsfrei möglich, die öffentlich-rechtlich zulässig wären, wenn es sich um zwei nebeneinander liegende Grundstücke handeln würde, und auch tatsächlich an der Stelle öffentlich-rechtlich zulässig sind.

 

Normenkette

BGB § 1004 Abs. 1 S. 1; WEG § 15 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Oldenburg i.H. (Urteil vom 06.10.2008; Aktenzeichen 16 C 35/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Oldenburg i. H. vom 06.10.2008 – Az.: 16 C 35/08 – wie folgt abgeändert:

Die Beklagte zu 3. wird verurteilt, den an der Grenze der Sondernutzungsrechte der Parteien … der Straße … errichteten Sichtschutzzaun aus Holz zu entfernen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. und zu 2. trägt die Klägerin. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 3. gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird festgesetzt auf 3.000,00 EUR.

 

Tatbestand

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Ergänzend ist anzuführen, dass die Kammer Beweis erhoben hat durch Inaugenscheinnahme des Grenzbereiches der Sondernutzungsrechte auf dem Grundstück … und des inzwischen errichteten Sichtschutzzaunes.

Die Beklagten haben ihren erstinstanzlichen Antrag dahingehend umstellt, dass der Zaun abgebaut werden soll.

Des Weiteren haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2009 übereinstimmend ausgeführt, dass nicht die Beklagten zu 1. und zu 2., sondern die Beklagte zu 3. Eigentümerin der Wohnungseigentumsanteile und dementsprechend auch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft des Grundstückes … sei, dementsprechend die Beklagte zu 3. die alleinige richtige Beklagte sei.

Aus dem Grunde erfolgte im Einvernehmen mit den Beklagten zu 1. – 3. auf konkludenten Antrag der Klägerin ein gewillkürter Parteiwechsel, indem die Beklagten zu 1. und 2. aus dem Rechtsstreit ausgeschieden und die Beklagte zu 3. eingetreten ist. Diese Auswechslung der Beklagten war sachdienlich, da allein die Beklagte zu 3. Eigentümerin der Wohnungseigentumsanteile und dementsprechend auch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft des Grundstückes … ist.

Eine Rubrumsberichtigung kam nicht in Betracht. Bereits seit Januar 2001 ist die Gesellschaft … als rechtsfähig anerkannt, soweit sie durch die Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. In diesem Rahmen ist sie im Zivilprozess parteifähig, kann also als Gesellschaft klagen und verklagt werden. Lediglich für eine Übergangszeit nach Änderung dieser Rechtssprechung und für in dem Zeitpunkt bereits anhängige Verfahren hat der Bundesgerichtshof eine Rubrumsberichtigung als zulässig angesehen, da in derartigen Verfahren die Gesellschafter der GbR entsprechend der bis dahin geltenden Rechtsprechung als Streitgenossen einer Gesamthandsforderung in Anspruch genommen wurden (BGH NJW 2003, 1043 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Die Übergangszeit aufgrund der Änderung der Rechtsprechung ist abgelaufen, aufgrund der seit inzwischen 8 Jahren anerkannten Partei- und Rechtsfähigkeit der GbR hätte die GbR von vornherein in Anspruch genommen werden können und müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gem. §§ 1004 Abs. 1 S.1 BGB i.V.m. 15 Abs. 3 WEG einen Anspruch auf Beseitigung des im Grenzbereich der Sondernutzungsrechte an den Terrassen errichteten Sichtschutzzaunes.

Der Beseitigungsanspruch ergibt sich nicht bereits aus einem Verstoß gegen § 3 der Teilungserklärung, in dem die Parteien folgende Regelung hinsichtlich der Einzäunung der Sondernutzungsrechte getroffen haben: „(2) Sondernutzungsrechte 4. Jeder Eigentümer, dem ein Garten als Sondernutzung zugewiesen ist, ist berechtigt, soweit nicht baurechtliche Vorschriften entgegenstehen, den Bereich des seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden unbebauten Grundstückes auf eigene Kosten durch eine Hecke oder Zaun auf der Grenze zum Sondernutzungsrecht des benachbarten Wohnungseigentümers abzugrenzen.„

Nach Ansicht der Kammer stellt auch ein Sichtschutzzaun einen Zaun im Sinne dieser Vorschrift dar, zumal Einschränkungen zu der Art des Zaunes nicht vorgenommen wurden. Auch die hinsichtlich der Errichtung auf der Grenze der Sondernutzungsrech...

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