Entscheidungsstichwort (Thema)

Räumung und Herausgabe

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 20.10.1992 – 29 C 370/92 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Streitwert zweite Instanz DM 11.400,00.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Gründe

Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber in der Sache ohne Erfolg.

Den Klägern steht der mit der Klage geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht zu. Denn das Mietverhältnis wurde – wie vom Amtsgericht zutreffend ausgeführt – nicht wirksam durch die Vereinbarung der Parteien vom 06.05.1992 (I 13) beendet.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Mietaufhebungsvereinbarung wirksam angefochten worden ist (§ 123 BGB). Das Rechtsgeschäft über die vorzeitige Beendigung des streitigen Mietverhältnisses ist nämlich gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Darüber hinaus wurde – wie ebenfalls auszuführen sein wird – der Vertrag wirksam nach den Haustürwiderrufsgesetz (im weiteren HWiG) widerrufen.

Nach gefestigter Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum bemißt sich die Beantwortung der Frage, ob eine Vertragsgestaltung nicht mehr mit den guten Sitten vereinbar ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt und damit die Grenzen der im Rahmen der Privatautonomie grundsätzlich bestehenden Vertragsgestaltungsfreiheit überschreitet, nach einer Gesamtwürdigung des Rechtsgeschäfts, die sich an dessen Inhalt, Beweggrund und Zweck zu orientieren hat. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kommt vor allem der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzverhältnis), ferner den Umständen, die zum Vertragsschluß geführt haben, und insbesondere den im Vertrag getroffenen Einzelregelungen – auch soweit sie durch AGB getroffen sind – entscheidende Bedeutung zu (BGH NJW 82, 1455).

Der Abschluß einer Mietaufhebungsvereinbarung stellt in der Regel für sich betrachtet noch kein sittenwidriges Rechtsgeschäft dar. Das Amtsgericht führt zutreffend aus, daß oftmals es gerade der Mieter ist, von dem die Initiative zum Abschluß einer solchen Vereinbarung ausgeht. Im vorliegenden Falle ging die Initiative zum Abschluß der streitigen Vereinbarung aufgrund umfangreich anstehender Sanierungspläne von Vermieterseite aus. Auch in einem solchen Falle kann der Abschluß einer Mietaufhebungsvereinbarung, ohne daß weitere Umstände hinzutreten, nicht als sittenwidrig angesehen werden. Denn die Privatautonomie gibt die Möglichkeit auf Rechte zu verzichten, so im vorliegenden Falle auf die Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsschutzvorschriften gemäß §§ 564 b ff BGB.

Die Beklagten haben darüber hinaus aber auch auf jeglichen Räumungsvollstreckungsschutz verzichtet. Zwar ist ein Verzicht auf die gemäß § 765 a ZPO garantierten Räumungsschutzrechte von vorneherein unwirksam. Die Parteien haben in § 5 der streitigen Vereinbarung aber auch geregelt, daß die Beklagten auf Räumungsschutz und damit auf die Rechte aus §§ 794 a, 721 ZPO verzichten. Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Amtsgerichts an, wonach es den Klägern ersichtlich alleine darauf ankommt, das Anwesen schnellstmöglich zu räumen, um die Sanierung durchführen zu können. Diesem Ziel standen langwierige Kündigungsprozesse mit anschließenden Vollstreckungsschutzverfahren entgegen. Indem der Mieter sowohl auf die Rechte aus dem Kündigungsschutz verzichtet als auch auf die Rechte aus dem Vollstreckungsschutz, steht er einem Räumungsverlangen des Vermieters bis auf die Ausnahmeregelung des § 765 a ZPO schutzlos gegenüber. Das dem Mieter eingeräumte Recht, früher als vereinbart aus der Wohnung ausziehen zu können, kann demgegenüber keinen entscheidenden Ausgleich schaffen. Er ist durch das bis zur Wirksamkeit der Aufhebungsvereinbarung fortdauernde Mietverhältnis lediglich in seinen Vermögensinteressen (drei weitere Monatsmieten) betroffen. Durch die dann anstehende Vollstreckung des Räumungsverlangen wird aber eine unmittelbare Existenzbedrohung hervorgerufen, wenn es den Mietern nicht gelingt, Ersatzwohnraum anzumieten.

Weiter kann vorliegend nicht die Art des Zustandekommens der Vereinbarung außer Betracht bleiben (BGH NJW 82, 1455 und NJW 88, 1373).

Die Beklagten wurden unstreitig von Vertretern der Klägerin in ihrer Mietwohnung aufgesucht und hierbei die vorgefertigte Vereinbarung durch die Beklagten unterzeichnet. Die Vereinbarung kam somit aufgrund einer nunmehr in § 1 Abs. 1 HWiG beschriebenen Situation zustande. Zwar ist nicht jeder Vertrag, der unter den in § 1 HWiG beschriebenen Umständen zustandekommt, sittenwidrig. Dies ergibt sich schon aus dem im Haustürwiderrufsgesetz normierten Widerrufsrecht. Der Gesetzgeber wollte aber durch das Haustürwiderrufsgesetz einer bestehenden Verhandlungsungleichheit Rechnung tragen. Die Beklagten sind polnische Staatsangehörige, so daß schon von daher erhebliche Bedenken stehen, ob diese überhaupt hinreichend über alle Folgen der Aufhe...

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