Verfahrensgang

AG Hamburg-Altona (Urteil vom 28.11.1984; Aktenzeichen 316b C 564/84)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona vom 28. November 1984 – 316 b C 564/84 – geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen zu tragen.

 

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts steht den Klägerinnen gegenüber den Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe der Wohnung gemäß § 556 I BGB nicht zu.

Die auf § 554 a BGB gestützte fristlose Kündigung der Klägerinnen vom 9.7.1984 hat nicht zur Auflösung des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses geführt. Die Tatbestandsvoraussetzungen der zitierten Bestimmung sind jedenfalls deshalb nicht erfüllt, weil der Kündigung keine hinreichend qualifizierte Abmahnung vorausgegangen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer läßt sich das für die Anwendung des § 554 a BGB erforderliche schwerwiegende Verschulden des pflichtwidrig handelnden Vertragsteils in Fällen, in denen das Kündigungsrecht – wie hier, wo den Mietern fortlaufende unpünktliche Zahlung des Mietzinses und unterlassene Gartenpflege zum Vorwurf gemacht wird – aus einem Dauerverhalten abgeleitet wird, in der Regel nur dann bejahen, wenn der betreffende Vertragsverstoß zuvor unmißverständlich, und zwar unter Androhung des Kündigungsausspruchs, abgemahnt worden ist (vgl. auch LG Berlin, MDR 1985, 586). Geschieht das nicht, läßt sich nämlich regelmäßig nicht ausschließen, daß der pflichtwidrig handelnde Vertragsteil die Schwere seiner Vertragsverstöße subjektiv falsch einordnet, ohne daß ihm daraus im Einzelfall ein so gravierender Vorwurf gemacht werden kann, daß die Fortsetzung des Mietverhältnisses – und sei es nur für die Dauer der Kündigungsfrist der §§ 564 b II Nr. 1, 565 BGB – dem anderen Vertragsteil schlechterdings nicht länger zugemutet werden könnte. Es läßt sich durchaus denken, daß einem Mieter, der wiederholt unpünktlich zahlt, die möglichen Konsequenzen seines Fehlverhaltens für den Fortbestand des Mietverhältnisses als solchen ohne weiteres gar nicht in den Sinn kommen, daß er vielmehr allenfalls eine entsprechende Zahlungsklage zu riskieren glaubt. Das folgt schon daraus, daß man nicht selten über die Erheblichkeit des Vertragsverstoßes im Einzelfall aus den verschiedensten tatsächlichen Gründen wird unterschiedlicher Meinung sein können – ganz abgesehen davon, daß sich sogar überhaupt bezweifeln läßt, ob fortlaufende unpünktliche Zahlung des Mietzinses als Kündigungsgrund im Sinne des § 554 a BGB angesehen werden kann (so – wenn auch entgegen der ganz h.M. – Roquette, Das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches, 1966,§ 554 a Rdn. 14). Dem Verschulden des pflichtwidrig handelnden Vertragsteils kann darum in Fällen wie diesem in der Regel nur dann das für die Anwendung des § 554 a BGB erforderliche Gewicht beigemessen werden, wenn davon auszugehen ist, daß er sich über die rechtliche Tragweite seines Fehlverhaltens auch im Hinblick auf mögliche Risiken für den Fortbestand des Mietverhältnisses als solchen hinreichend im klaren gewesen ist. Das ist – wie dargelegt – nicht selbstverständlich, sondern bedarf im allgemeinen eines unmißverständlichen Hinweises.

An einem solchen Hinweis haben die Klägerinnen es im Streitfall fehlen lassen. Anhaltspunkte dafür, daß es seiner deshalb nicht bedurft hätte, weil den Beklagten das Kündigungsrisiko ohnehin bereits deutlich genug vor Augen stand, sind nicht ersichtlich. Im Gegenteil durften die Beklagten gerade die wiederholten Anmahnungen der Zahlungsrückstände von selten der Klägerinnen, ohne daß mit diesen Mahnungen je eine Kündigungsandrohung verbunden war, durchaus dahin auffassen, daß es den Klägerinnen allein um ihr Geld zu tun war, nicht aber daß ihnen die Fortsetzung des Mietverhältnisses deshalb bereits als unzumutbar Vorgekommen wäre. Der Umstand, daß die Klägerinnen den Beklagter in ihren Zahlungserinnerungen verschiedentlich „Weiterungen” bzw. die Einschaltung ihres Rechtsanwalts für den Fall der Nichteinhaltung der gesetzten Zahlungsfristen angedroht haben, rechtfertigt insoweit keine abweichende Beurteilung. Diese allgemein gehaltenen Hinweise sind im Kontext bestenfalls als Androhung der Zahlungsklage, nicht aber – jedenfalls nicht mit der gebotenen Deutlichkeit – als Kündigungsandrohung zu verstehen.

Die Kündigung vom 9.7.1984 hat demnach keinen Bestand. Ein Rechtsentscheid gemäß Art. III des Dritten Mietrechtsänderungsgesetzes vom 21.12.1967 (BGBl. I S. 1248) war insoweit nicht einzuholen. Die Frage, wann das Verschulden des pflichtwidrig handelnden Vertragsteils ein solches Ausmaß erreicht, daß die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den anderen Teil nicht länger zumutbar erscheint, ist keine Rechtsfrage, sondern liegt auf tatsächlichem Gebiet. Sie ist einer grundsätzlicher Klärung durch Rechtsentscheid nicht zugänglich.

Soweit die Klägerinnen den Klaganspruch in der Berufungsinstanz nunmehr auch auf die spätere fristlose Kündi...

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