Verfahrensgang

AG Hamburg (Urteil vom 17.12.1987; Aktenzeichen 49 C 667/86)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg (49 C 667/86) vom 17. Dezember 1987 wie folgt geändert:

  1. Es wird festgestellt, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, die monatliche Miete für seine Wohnung im Hause … wegen der Beschaffenheit des Trinkwassers ab 1. März 1986 um DM 32,– monatlich und ab 1. Februar 1988 um DM 37,– monatlich zu mindern.
  2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, die der Trinkwasserversorgung des Beklagten dienenden bleihaltigen Leitungsrohre des Hauses … bis zum Hausanschluß durch bleifreie Leitungsrohre auszutauschen, soweit es die Versorgung mit Kaltwasser in der Küche anbelangt.

Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 2/5 und der Beklagte 3/5.

 

Gründe

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen. In der Berufungsinstanz ist Beweis gemäß den Beschlüssen vom 22. November 1988 und 26. März 1990 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben worden. Auf die Gutachten des Sachverständigen … vom 20. April 1989 und 25. Juni 1990 wird Bezug genommen.

Die Berufung der Klägerin ist vollen Umfangs begründet, soweit es die Klage anbelangt, jedoch nur zum Teil begründet, soweit es die Widerklage betrifft. Die Kammer ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Auffassung, daß die bleihaltigen Wasserleitungen, die zur Bleiabgabe ins Trinkwasser über die Kaltwasserzapfstelle in der Küche der Wohnung des Beklagten führen, einen Mangel der Mietsache i.S.v. § 537 BGB darstellen. Die Auswirkungen des Mangels auf den Mietgebrauch sind allerdings so geringfügig, daß der Beklagte deswegen zur Mietminderung nicht berechtigt ist (§ 537 Abs. 1 S. 2 BGB). Das schließt indes seinen Erfüllungsanspruch, für den die Schranke des § 537 Abs. 1 S. 2 BGB nicht unmittelbar gilt, nicht aus. Ebensowenig scheitert er an der sog. Opfergrenze.

Im einzelnen gilt folgendes:

Mit dem Amtsgericht und in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung ist davon auszugehen, daß bleihaltige Wasserleitungen in einem Wohngebäude einen Mangel i.S.v. § 537 BGB bilden, wenn hierdurch die Trinkwasserqualität derart betroffen wird, daß mit einer konkreten Gesundheitsgefährdung gerechnet werden kann (vgl. LG Berlin DWW 1987, 130, LG Frankfurt ZMR 1990, 17 = WM 1990, 384, AG Hamburg WM 1990, 383, Emmerich-Sonnenschein, Miete, 5. Aufl., BGB § 537 Rdn. 6, Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Rdn. II 517). Nicht entscheidend ist, ob ein Schaden eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht; vielmehr genügt für die Annahme der Mangelhaftigkeit, daß die Mietsache nur in der Befürchtung der Gefahrverwirklichung genutzt werden kann (OLG Hamm – Beschluß vom 25.3.1987 – DWW 1987, 226 = WM 1987, 248). Allerdings wird zu fordern sein, daß die Gefahr wissenschaftlich gesichert verifiziert werden kann (vgl. OLG Hamm, a.a.O.); nur denkbare oder entfernte Gefährdungsmöglichkeiten scheiden aus. Dies gilt auch für behauptete Gesundheitsgefährdungen. Im Hinblick auf das breite Spektrum dessen, was als noch verträglich und was bereits als gefährlich anzusehen ist, gebieten es Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, möglichst eindeutige normative Voraussetzungen hierfür zu schaffen. Nach Auffassung der Kammer erscheinen die medizinisch-technisch anerkannten Grenznormen am ehesten geeignet: sie bilden die Grundlage für Standards, die auf wissenschaftlichen Ergebnissen fußen und noch Aktualität beanspruchen können (im Ergebnis ebenso: LG Frankfurt ZNR 1990, 17, AG Frankfurt ZMR 1988, 435 jeweils für Blei, LG Hannover NJW-RR 1990, 972 für PER, AG Köln NJW-RR 1987, 972 für Formaldehyd). Nach der hier einschlägigen Regelung in § 2 Abs. 1 der TrinkwV vom 22. Mai 1986 (BGBl. I, 760) liegt der Grenzwert für Blei im Trinkwasser bei 40 mmg/l. Der Maßgeblichkeit dieses Wertes auch für die Rechtsbeziehungen zwischen Vermieter und Mieter kann nicht entgegengehalten werden, daß sich die TrinkwV nur an Lebensmittelbetriebe wendet und öffentliches Recht beinhaltet (so LG Berlin DWW 1987/130). Hier geht es nicht darum, daß der Vermieter (die Klägerin) für die Qualität des von den (Hamburgischen) Wasserwerken gelieferten Trinkwassers einzustehen hat, sondern dafür Sorge tragen muß, daß eben diese Qualität nicht durch die baulichen Gegebenheiten des Mietobjektes verschlechtert wird. Dieser Pflicht kann nicht entgegengehalten werden, daß das Wohngebäude 1953 errichtet worden ist und die Verwendung von Bleirohren für die Kaltwassersteige- und Verteilungsleitungen bauordnungsmäßig war (vgl. den Baugenehmigungsbescheid des Bezirksamts Hamburg-Nord Nr. 81784 vom 4. Juli 1983). Zwar orientiert sich die Gebrauchsgewährpflicht des Vermieters u.a. an dem Standard von Gebäuden der entsprechenden Baualtersklasse, soweit er beim Mieter als bekannt vorauszusetzen ist (vgl. Bub-Treier-Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, Rdn. III B 1179,...

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