Leitsatz (amtlich)

1. Auf den in einem Nutzungsvertrag mit einer Genossenschaft vereinbarten Ausschluss der Eigenbedarfskündigung kann sich das Mitglied (Mieter) auch gegenüber einem Erwerber der Genossenschaftswohnung berufen (Anschluss OLG Karlsruhe, Rechtsentscheid vom 21.01.1985 - 3 RE-Miet 8/84).

2. Diese Kündigungsbeschränkung entfällt auch dann nicht, wenn das Mitgliedschaftsverhältnis (hier durch Insolvenz der Genossenschaft) nach dem Verkauf der Wohnung erlischt (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 10.09.2003 - VIII ZR 22/03).

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 04.02.2011; Aktenzeichen 6 C 3724/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 21.02.2012; Aktenzeichen VIII ZR 250/11)

 

Tenor

  • Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 04.02.2011 - 6 C 3724/10 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

  • 2.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  • 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils von ihr zu vollstreckenden Betrages leistet.

  • 4.

    Die Revision wird zugelassen.

  • 5.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.764,36 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Kläger ist Vermieter, die Beklagte ist Mieterin der im Erdgeschoss liegenden Wohnung Nr. 1 im ..............., 79106 Freiburg. Diese wird von der Beklagten zusammen mit ihrem Lebensgefährten bewohnt. Der Kläger begehrt die Räumung und Herausgabe der Wohnung.

Die Beklagte wohnt seit 1962 in dieser Wohnung. Ursprünglich war die Wohnung eine Wohnung im Bestand der gemeinnützigen Genossenschaft G. ... e.G.m.b.H. Mit Nutzungsvertrag vom 15.03.1963 überließ die Genossenschaft ihrem Mitglied, der Beklagten, die Wohnung zur dauerhaften Nutzung gegen Zahlung einer entsprechenden Nutzungsgebühr.

Die maßgeblichen Kündigungsbestimmungen des Nutzungsvertrages lauten:

§ 15

(1) Die Wohnung soll dem Mitglied und seiner Familie ein dauerndes Heim bieten. Das Recht zur Nutzung der Genossenschaftswohnung ist jedoch an die Mitgliedschaft in der Genossenschaft gebunden.

(2) Scheidet das Mitglied bei Lebzeiten aus der Genossenschaft aus, so erlischt das Nutzungsrecht an der Wohnung mit dem Tage, an dem die Mitgliedschaft endet. Die Genossenschaft kann vom Tage des Ausscheidens des Mitglieds die Räumung der Wohnung zu diesem oder einem späteren Zeitpunkt verlangen. Sind beide Ehegatten Mitglied der Genossenschaft und wird einer von ihnen wegen eines in seiner Person oder seinem Verhalten liegenden Grundes nach Maßgabe der Satzung ausgeschlossen, so muss der andere Ehegatte dieses Verhalten gegen sich gelten lassen. In Härtefällen kann die Genossenschaft einen neuen Nutzungsvertrag mit dem in der Genossenschaft als Mitglied verbleibenden Ehegatten abschließen, wenn die Gewähr gegeben ist, dass dieser die ihm der Genossenschaft und der Hausgemeinschaft gegenüber obliegenden Pflichten ordnungsgemäß erfüllt.

§ 18

(1) Da die Wohnung dem Mitglied und seiner Familie ein dauerndes Heim bieten soll, wird die Genossenschaft das Nutzungsverhältnis trotz bestehender Mitgliedschaft nur auflösen, wenn das Mitglied sich eines so groben Verstoßes gegen die ihm aus diesem Vertrag obliegenden Pflichten gegenüber der Genossenschaft oder der Hausgemeinschaft schuldig macht, dass der Genossenschaft die Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei muss das Mitglied das Verhalten seines Ehegatten oder anderer Personen, für die es nach § 8 Abs. 4 einzustehen hat, gegen sich gelten lassen.

(2) Die Genossenschaft ist insbesondere berechtigt, das Nutzungsverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn das Mitglied die ihm obliegenden Pflichten trotz schriftlicher Abmahnung durch die Genossenschaft dadurch verletzt, dass es

a) sich einer erheblichen Belästigung von Hausbewohnern oder von Beauftragten der Genossenschaft schuldig macht oder

c) ganz oder teilweise einen vertragswidrigen Gebrauch von den überlassenen Räumen macht.

Ist bereits ein einmaliger Verstoß des Mitgliedes oder einer Person, für die es einzustehen hat, so schwer, dass für die Genossenschaft die Fortsetzung des Nutzungsverhältnisses unzumutbar erscheint, so ist eine Abmahnung nicht erforderlich.

(3) Die Genossenschaft ist ferner zur Auflösung des Nutzungsverhältnisses berechtigt, wenn das Mitglied mit der Entrichtung der Nutzungsgebühr nach abgelehnter Stundung mit einem Betrag im Rückstand ist, der die für den Zeitraum von 2 Monaten zu entrichtende Nutzungsgebühr übersteigt.

(4) Der Genossenschaft steht in den Fällen des Abs. 2 das Recht zur Auflösung des Nutzungsverhältnisses nicht mehr zu, wenn seit ihrer Kenntnis von dem Auflösungsgrund sechs Monate verstrichen sind, ohne dass sie von ihrem Auflösungsrecht Gebrauch gemacht hat.

Im Jahr 1995 verkaufte die G......

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