Leitsatz (amtlich)

Vor der Beauftragung eines öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen zur Ermittlung des Sanierungsbedarfes am gemeinschaftlichen Eigentum müssen regelmäßig keine Alternativangebote eingeholt werden.

 

Verfahrensgang

AG Wiesbaden (Urteil vom 05.03.2020; Aktenzeichen 91 C 3849/19 (78))

 

Tenor

Auf die Berufung wird das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 5.3.2020 im Kostenpunkt und insoweit abgeändert, als der Beschluss zu TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 18.10.2019 für ungültig erklärt wurde. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 10 % und die Beklagten zu 90%.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis 3.000 EUR

 

Tatbestand

I.

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie streiten in der Berufungsinstanz alleine um die Gültigkeit eines Beschlusses, welcher die Beauftragung eines Sachverständigen im Hinblick auf Schäden an Betonbauteilen zum Gegenstand hat. Durch den angefochtenen Beschluss ist ein spezieller Sachverständiger mit einem Nettostundenlohn von 130 EUR für den Sachverständigen und 45 EUR für das Sekretariat beauftragt worden. In dem Beschluss ist für die Ermittlung des Sanierungsbedarfes, die Erstellung des Leistungsverzeichnisses mit Angebotseinholung und Preisspiegel ein Betrag von insgesamt 15.000 EUR freigegeben worden, welcher aus der Instandhaltungsrücklage entnommen werden sollte.

Das Amtsgericht hat diesen Beschluss deshalb für ungültig erklärt, weil keine Alternativangebote eingeholt worden sind. Hiergegen wendet sich die Berufung, die sich im Wesentlichen darauf stützt, dass für vorbereitende Maßnahmen keine Alternativangebote erforderlich seien.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

Das Verfahren ist nach dem bisherigen Verfahrensrecht – gegen die übrigen Eigentümer – weiter zu führen (§ 48 Abs. 5 WEG). Materiell ist der gefasste Beschluss im Grundsatz nach dem bei Beschlussfassung geltenden Recht zu beurteilen (Kammer, NZM 2021, 45; LG Rostock ZMR 2021, 63; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 14 Rn. 223; Riecke MDR 2021, 213 (214)), für die hier entscheidenden Fragen enthält das neue Recht allerdings ohnehin keine Änderung.

Die Berufung ist begründet, denn der Beschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung (§ 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG aF).

Im vorliegenden Fall waren vor der Beauftragung eines öffentlich bestellten Sachverständigen zur Ermittlung des Sanierungsbedarfes wegen Betonschäden am gemeinschaftlichen Eigentum Alternativangebote entbehrlich.

Allerdings entspricht es herrschender Auffassung und auch der Rechtsprechung der Kammer, dass im Grundsatz Alternativangebote jedenfalls bei der Beauftragung von nicht geringfügigen Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen (nunmehr Erhaltungsmaßnahmen, § 13 Abs. 2 WEG) erforderlich sind (vgl. Kammer ZWE 2017, 321; instr. Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten § 21 Rn. 75 mwN).

Allerdings sind Alternativangebote kein Selbstzweck, sondern dienen dazu, die Ermessensentscheidung der Wohnungseigentümer auf eine ausreichend gesicherte Tatsachengrundlage zu stellen (BGH NZM 2011, 515; LG Frankfurt a. M. ZWE 2017, 321). Insoweit muss hierfür jedoch ein Bedürfnis bestehen. Bei der Verwalterwahl hat dies der Bundesgerichtshof angenommen, weil die Neubestellung eines Verwalters, für die Eigentümer eine zentrale Bedeutung hat, weil dieser für sie wichtige und weitreichende Funktionen wahrnimmt und regelmäßig für mehrere Jahre bestellt wird. Dies erfordert eine Wahl auf einer fundierten Tatsachengrundlage, die nur bei Vorliegen mehrerer Angebote gegeben ist (BGH NZM 2020, 663).

Gleiches gilt, wenn nicht unerhebliche Baumaßnahmen am gemeinschaftlichen Eigentum vorgenommen werden. Zweck solcher Vergleichsangebote ist, dass einerseits technische Lösungen gewählt werden, die eine dauerhafte Beseitigung von Mängeln und Schäden versprechen und dabei andererseits auf die Wirtschaftlichkeit geachtet und keine überteuerten Aufträge erteilt werden (LG Hamburg ZMR 2014, 822; Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten § 21 Rn. 75 mwN). Daher sind Alternativangebote hier in der Regel erforderlich, damit die Eigentümer eine sachgerechte Ermessensentscheidung treffen können. Bereits hiervon bestehen nach der Rechtsprechung der Kammer (ZMR 2018, 789) Ausnahmen, wenn das Auftragsvolumen gering ist oder sich aus anderen Umständen Anhaltspunkte für die Wohnungseigentümer ergeben, dass das vorgelegte Angebot sich im Rahmen des Üblichen bewegt. Dann kann es ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, einen Auftrag zu vergeben, ohne Alternativangebote einzuholen. Dies hat die Kammer insbesondere dann angenommen, wenn die Gemeinschaft die Möglichkeit hat, in Fällen, in denen lediglich ein Angebot vorliegt, dieses sachgerecht einzuordnen (Kammer aaO).

Hinsichtlich der verschiedenen technischen Lösungen dient das Sac...

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