Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrechtliche Probleme im Zusammenhang mit elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 52 b UrhG enthält als Annexkompetenz auch das Recht, ein digitales Vervielfältigungsstück herzutstellen.

2. Der Anwendung von § 52b UrhG steht nur ein geschlossener Vertrag, nicht hingegen ein bloßes Vertragsangebot des Rechtehinhabers entgegen.

3. Eine teleologische Auslegung von § 52b UrhG ergbit, dass nur eine öffentliche Zugänglichmachung erlaubt ist, die Anschlussnutzungen wie das Ausdrucken oder das Speichern auf USB-Sticks ausschließt.

 

Normenkette

UrhG §§ 52b, 97; EGRL 29/2001 Art. 5 Abs. 2c

 

Tenor

  • 1.)

    Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten,

    Nutzern der Universitäts- und Landesbibliothek D. zu ermöglichen, digitale Versionen der Werke, die im Verlag der Klägerin veröffentlicht sind, insbesondere die "Einführung in die N." von S., an elektronischen Leseplätzen der Bibliothek ganz oder teilweise auszudrucken und/oder auf USB-Sticks oder andere Träger für digitalisierte Werke zu vervielfältigen und/oder solche Vervielfältigungen aus den Räumen der Bibliothek mitzunehmen.

  • 2.)

    Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin über sämtliche in Antrag 1 genannten Handlungen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. Insbesondere sind anzugeben:

    wie viele Vervielfältigungsvorgänge in welchem Umfang hinsichtlich des jeweiligen Werkes aus dem Verlag der Klägerin an elektronischen Leseplätzen ihrer Bibliothek stattgefunden haben, und zwar aufgeschlüsselt nach Ausdrucken und elektronischen Vervielfältigungen;

  • 3.)

    Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen Schaden zu ersetzen, welcher Letztere durch die in Antrag 1 genannte Handlung entstanden ist oder noch entstehen wird.

  • 4.)

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  • 5.)

    Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

  • 6.)

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 55.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

  • 7.)

    Der Streitwert wird auf 100.000,-- EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten in ihrer Bibliothek zur Verfügung gestellten elektronischen Leseplätze.

Die Klägerin ist ein Verlag, der in seinem Verlagsportfolio hauptsächlich wissenschaftliche Literatur führt. Zu dem Verlagsprogramm der Klägerin zählen diverse Lehrbücher zu den Fächern Geowissenschaft, Biologie, Umweltingenieurwissenschaft und Geschichte. Unter anderem verlegt die Klägerin auch das streitgegenständliche Werk "Einführung in die N." von S., welches derzeit in der 4. Aufl. am Markt erhältlich ist. Die Klägerin unterbreitete mit Schreiben vom 19.1.2009 (Anlage K 4) der Beklagten ein Angebot zur Nutzung ihres E-Book-Programms an. Auf das Angebot der Klägerin reagiert die Beklagte nicht.

Die Beklagte ist als Universität des Landes Hessen eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Zentralbibliothek ist die Universitäts- und Landesbibliothek (ULB). Die Beklagte hält in ihrem Bestand sieben Exemplare des streitgegenständlichen Buchs "Einführung in die neuere Geschichte" von S.. Im Januar 2009 wurde dieses Werk zum Zweck der Bereitstellung an elektronischen Leseplätzen digitalisiert. Hierbei wurden die einzelnen Kapitel als PDF-Dateien gespeichert und Anfang Februar 2009 in die Datenbank eingepflegt, welche den elektronischen Leseplätzen zu Grunde liegt. Die Klägerin stellt zum Abruf für den Benutzer einen PDF-Reader der Fa. Adobe zur Verfügung. Die einzelnen Dateien sind Grafikdateien, die einer modernen Textverarbeitung nicht zugänglich sind. Der Aufruf der fraglichen PDF-Dateien ist über die in den Räumlichkeiten der Klägerin zur Verfügung gestellten elektronischen Leseplätze möglich, nicht hingegen über Netzwerkeinwahl von außerhalb. Simultan können jeweils nur so viele identische PDF-Dateien aufgerufen werden, wie Printexemplare im Bibliotheksbestand vorhanden sind. Die fraglichen Dateien können in technischer Hinsicht am elektronischen Leseplatz eingesehen werden.

Die Beklagte hat die Nutzung dieser Leseplätze zunächst so ausgestaltet, dass jeder Nutzer ohne Kontrolle und ohne Vorlage eines Benutzerausweises die Leseplätze nutzen konnte. Weiterhin waren der unbeschränkte Ausdruck sowie die Speicherung der Dateien auf einen USB-Stick möglich. An den Leseplätzen hat die Klägerin zunächst folgenden Hinweis erteilt: "Die digilehrbücher können aus rechtlichen Gründen nur in den Räumen der ULB angeboten werden, unter Einhaltung bestimmter Bedingungen (mehr ...). Die ULB sorgt durch technische und organisatorische Maßnahmen für die Einhaltung dieser Bestimmungen. Wir machen darauf aufmerksam, dass ein Vervielfältigen oder Weiterleiten der digilehrbücher verboten ist."

Hinter dem als Link ausgestalteten Textbestandteil "(mehr...)" folgte eine deta...

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