Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Anfechtungskläger die Anfechtungsklage fristgerecht eingereicht und den Vorschuss gezahlt, besteht eine weitere Obliegenheit zur Kontrolle der gerichtlichen Verfahrensweise nicht, so dass eine Klage auch dann noch „demnächst” iSv § 167 ZPO zugestellt wird, wenn die Zustellung aus Gründen, die alleine in der Sphäre des Gerichtes liegen, erst knapp 6 Monate nach Vorschusszahlung erfolgt (Fortführung von Kammer, Urt. v. 15.7.2021 – 2-13 S 128/20).

2. Grundsätzlich steht den Wohnungseigentümern bei der Verwaltungsbeiratswahl ein weiter Ermessens- und Beurteilungsspielraum zu. Besondere Anforderungen an die Kenntnisse eines Kandidaten über die Befugnisse des Verwaltungsbeirats stellt das Gesetz nicht, ebenso wenig an seine Qualifikation im Allgemeinen.

3. Es widerspricht jedoch ordnungsmäßiger Verwaltung, ein Verwaltungsbeiratsmitglied zu wählen, das für diese Tätigkeit vom Verwalter bezahlt wird, da dies angesichts der Aufgabe des Beirats, die Verwaltung zu überwachen, einen Interessenkonflikt schafft (Fortführung von Kammer, Beschl. v. 21.10.2015 – 2-13 S 97/12).

 

Verfahrensgang

AG Offenbach (Urteil vom 11.12.2020; Aktenzeichen 310 C 73/19)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung – das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 11.12.2020, Az. 310 C 73/19 auch im Kostenpunkt teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der auf der Wohnungserbbauberechtigtenversammlung vom 07.12.2019 unter TOP 9 gefasste Beschluss wird insoweit für ungültig erklärt, als [A] zum Verwaltungsbeirat gewählt wurde.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Sowohl die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz als auch die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.000 EUR

 

Tatbestand

I.

Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

Das Verfahren ist nach dem bisherigen Verfahrensrecht – gegen die übrigen Eigentümer – weiter zu führen (§ 48 Abs. 5 WEG). Materiell sind die Beschlüsse im Grundsatz nach dem bei Beschlussfassung geltenden Recht zu beurteilen (Kammer, NZM 2021, 45; LG Rostock ZMR 2021, 63; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 14 Rn. 223; Riecke MDR 2021, 213 (214)).

1.

Die Klage war, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts, nicht schon wegen des Versäumnisses der Anfechtungsfrist abzuweisen. Insoweit vermag sich die Kammer der Entscheidung des Amtsgerichts nicht anzuschließen.

Die Eigentümerversammlung fand am 07.12.2019 statt, die Klage ging bei dem Amtsgericht am 27.12.2019 ein. Der Vorschuss wurde am 30.12.2019 angefordert und am 02.01.2020 eingezahlt. Die Verfügung zur Zustellung der Klage vom 08.01.2020 wurde sodann jedoch erst am 18.05.2020 ausgeführt, die Klage den Beklagten am 27.05.2020 zugestellt. Es kommt daher entscheidend darauf an, ob die Klage an die Beklagten noch demnächst im Sinne von § 167 ZPO zugestellt wurde. Dies ist der Fall, denn dem Kläger ist nicht deshalb der Vorwurf einer nachlässigen Prozessführung zu machen, weil aufgrund eines Versäumnisses des Gerichts die Klage erst knapp fünf Monate nach Vorschusszahlung zugestellt hat, er in der Zwischenzeit bei Gericht aber nicht nach dem Sachstand fragte.

Wie die Kammer bereits entschieden hat (Urteil vom 15.07.2021, Az. 2-13 S 128/20), trifft den Kläger nämlich nach Vorschusszahlung – jedenfalls innerhalb der hier noch unterschrittenen Sechsmonatsfrist – keine Nachfrageobliegenheit:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf im Ausgangspunkt ein Kläger einerseits mit der Klageeinreichung bis zum letzten Tag vor Ablauf der Verjährungsfrist zuwarten, ohne dass ihm dies als Verschulden angerechnet wird. Er hat dann andererseits alles Zumutbare zu unternehmen, um die Voraussetzungen für eine alsbaldige Zustellung zu schaffen. Er muss alle für eine ordnungsgemäße Klagezustellung von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen erbringen; hat der Kläger diese Mitwirkungshandlungen erbracht, liegt die weitere Verantwortung für den ordnungsgemäßen Gang des Zustellungsverfahrens ausschließlich in den Händen des Gerichts, dessen Geschäftsgang ein Kläger und sein Prozessbevollmächtigter nicht unmittelbar beeinflussen können. Für eine Verpflichtung oder Obliegenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten, auch noch in diesem Stadium des Verfahrens durch eine Kontrolle des gerichtlichen Vorgehens auf eine größtmögliche Beschleunigung hinzuwirken, fehlt die rechtliche Grundlage. Sie ergibt sich nicht aus dem Prozessrechtsverhältnis, weil der Kläger seinerseits bereits alles getan hat, was die ZPO für die Klagezustellung von ihm fordert (vgl. BGH NJW 2021, 1598 Rn. 39 ff. mwN).

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Kläger daher grundsätzlich nicht geh...

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