Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Erstattung der Kosten für ein vom Angeklagten selbst eingeholtes Sachverständigengutachten im Fall des Freispruchs.

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Dinslaken vom 24.09.2012 - 2 Ls-594 Js 76/09-52/10 - wird der Beschluss dahingehend abgeändert, dass die dem früheren Angeklagten aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 272,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz festgesetzt werden. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der frühere Angeklagte und die Staatskasse jeweils zur Hälfte; die Beschwerdegebühr wird um 1/2 ermäßigt.

 

Gründe

Die gemäß §§ 464 b S. 3, 304 Abs. 3 StPO, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPfIG zulässige sofortige Beschwerde ist in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Dem früheren Angeklagten sind aus der Landeskasse notwendige Auslagen in Höhe von 272,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu ersetzen. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

Grundgebühr, VV 4100 RVG

200,00 EUR

Verfahrensgebühr, VV 4106 RVG

170,00 EUR

Terminsgebühr, VV 4108 RVG

250,00 EUR

Pauschale, W 7000 RVG

90,40 EUR

Auslagenpauschale, W 7002 RVG

20,00 EUR

Fahrtkosten, W 7003 RVG

30,42 EUR

Abwesenheitsgeld, W 7005 RVG

20,00 EUR

Aktenversendungspauschale, W 9003 RVG

12,00 EUR

792,82 EUR

Umsatzsteuer

150,64 EUR

943,46 EUR

abzüglich Kosten RA Bullmann

356,41 EUR

abzüglich Kosten RA Schwiertz

314,16 EUR

272,89 EUR

1.

Die Grundgebühr nach VV 4100 RVG ist wie beantragt mit 200 EUR statt der festgesetzten 165, 00 EUR festgesetzt worden.

Die Grundgebühr nach VV 4100 RVG beträgt für den Wahlanwalt zwischen 30 EUR und 300 EUR. Sie honoriert den Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts, der einmalig bei der Übernahme des Mandates entsteht, also das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen, darüber hinausgehende Tätigkeiten werden mit der jeweiligen Verfahrensgebühr abgegolten.

Der Rechtsanwalt bestimmt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie auch des Umfangs der Akten und der Dauer des Erstgesprächs nach billigem, pflichtgemäßen Ermessen. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens ist nur zu prüfen, ob sich die einzelne Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens hält und billigem Ermessen entspricht. Ist die Gebühr - wie hier - von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist und ein Ermessensmissbrauch vorliegt.

Vor dem Hintergrund der Schwierigkeit und des Umfanges des Verfahrens ist eine Gebühr in Höhe von 200,00 EUR angemessen. Bei der Bemessung der Gebühr kommt es auf eine objektive Beurteilung der Schwere und des Umfangs der Angelegenheit an, wobei als Vergleichsmaßstab auf sämtliche strafrechtlich in Betracht kommenden Vorwürfe abzustellen ist, also auch auf solche, die vor dem Oberlandesgericht oder einer großen Strafkammer des Landgerichts verhandelt werden, da VV 4100 RVG keine Abstufungen nach Gerichtsordnungen enthält. Vor diesem Hintergrund ist der hier gegen den ehemaligen Angeklagten erhobene Vorwurf der sexuellen Nötigung gemäß § 177 StGB, verbunden mit der Anklage zum Schöffengericht, als leicht überdurchschnittlich zu bewerten.

2.

Die Fahrtkosten sowie das Abwesenheitsgeld sind wie beantragt festgesetzt worden.

Die Erstattung von Reisekosten und Abwesenheitsgelder eines nicht am Ort des Prozessgerichtes ansässigen Verteidigers kommt gemäß § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO nur dann in Betracht, wenn seine Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war. Dies ist nur unter besonderen Voraussetzungen, die dem Ausnahmecharakter des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZP.0 Rechnung tragen, der Fall. Für die Fallgestaltung, dass der Angeklagte - wie vorliegend - seinen Wohnort am Sitz des Prozessgerichtes hat und sich eines auswärtigen Verteidigers bedient, ist die Zuziehung nur dann als notwendig anzuerkennen, wenn der gewählte Verteidiger beispielsweise besondere Kenntnisse auf einem Spezialgebiet hat oder wenn der Angeklagte, der sich gegen einen Vorwurf mit erheblichem Gewicht verteidigen muss, zur Verteidigung einen Rechtsanwalt seines Vertrauens heranzieht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, § 464 a Rn. 12 m.w.N.). Hier handelte es sich bei der dem ehemaligen Angeklagten zur Last gelegten sexuellen Nötigung - wenn auch "nur" beim Schöffengericht angeklagt und von diesem eröffnet, was die zu verhängende Strafe im Falle einer Verurteilung auf 4 Jahre begrenzt - um einen schwerwiegenden Vorwurf. Auch erst der gewählte Verteidiger, RA Dr. Deckers, stellte die Richtigkeit des eingeholten psychologischen Gutachtens erstmals in Frage und legte dazu dem Ge...

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