Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfassung der Berufsunfähigkeitsrente eines schon bei Abschluss des Versicherungsvertrags selbstständigen Steuerberaters von dem Insolvenzsbeschlag. Fehlender Pfändungsschutz bzgl. Berufsunfähigkeitsrenten Selbstständiger

 

Leitsatz (amtlich)

Die Berufsunfähigkeitsrente eines schon bei Abschluss des Versicherungsvertrages selbstständigen Steuerberaters unterliegt dem Insolvenzbeschlag, da die Berufsunfähigkeitsrenten Selbstständiger keinen Pfändungsschutz nach §§ 850 III b, 850 b Abs. 1 Nr. 1 oder 851 c ZPO genießen.

 

Normenkette

ZPO §§ 851c, 850 Abs. 3b, § 850b Abs. 1 Nr. 1; InsO § 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BGH (Entscheidung vom 18.11.2009; Aktenzeichen IV ZR 39/08)

BGH (Entscheidung vom 15.11.2007; Aktenzeichen IX ZB 34/06)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger war bis zum 13.05.2007 als Mitgesellschafter einer Steuerberatersozietät freiberuflich tätig. Diesen beruflichen Status hatte er auch schon, als er 1994 bei dem Beklagten eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf Basis einer Lebensversicherung abschloss, die im Versicherungsfall eine monatliche Rente und Beitragsbefreiung jeweils bis 2019 gewährt.

Nachdem der Kläger im Mai 2007 einen Suizidversuch unternommen hatte, schied er zum 01.06.2007 nach Kündigung des Gesellschaftsvertrages durch die Mitgesellschafter aus der Sozietät aus. Die Bestellung zum Steuerberater ist seit Januar 2009 erloschen. Im August 2008 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Rente und Beitragsbefreiung ab Oktober 2008 in Anspruch. Zu diesem Zeitpunkt hat die Krankentagegeldversicherung des Klägers dessen Berufsunfähigkeit festgestellt und die Krankentagegeldzahlungen mit Ablauf der vereinbarten Karenzzeit von 6 Monaten eingestellt.

Der Kläger behauptet Berufsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf als Steuerberater infolge einer schweren depressiven Episode, die auch schon der Grund für seinen Suizidversuch gewesen sei. Er meint, er sei trotz des Insolvenzverfahrens aktivlegitimiert, weil die Berufsunfähigkeitszusatzrente den Pfändungsschutzvorschriften unterfiele und damit nicht dem Insolvenzbeschlag unterliege.

Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, für den zurückliegenden Zeitraum 01.10.2008 bis 28.02.2010 aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebens-versicherung Nr. 8208686 Leistungen in Höhe von 17.383,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung an ihn zu bezahlen,
  2. die Beklagte weiter zu verurteilen, ihm ab März 2010 aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zur Lebensversicherung Nr. 8208686 Leistungen in Höhe von jeweils monatlich 1.022,58 EUR für die Dauer des Bestehens der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 30.09.2019 zu gewähren,
  3. die Beklagte zu verurteilen, ihn ab 01.10.2008 von der Verpflichtung zur Zahlung des Beitrages für die Lebensversicherung Nr. 8208686 für die Dauer des Bestehens der Berufsunfähigkeit, längstens bis zum Vertragsende am 30.09.2019 zu befreien.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei, weil die Rente dem Insolvenzbeschlag unterliege, da sie gepfändet werden könne. Außerdem bestreitet er – gestützt auf ein von ihm eingeholtes psychiatrisches Gutachten vom 13.07.2009 – bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger ist nicht aktivlegitimiert, die Ansprüche aus der bei der Beklagten bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geltend zu machen, da die Ansprüche in die Insolvenzmasse gefallen sind. Gemäß § 80 Abs. 1 InsO ist durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers dessen Recht über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verfügen auf den Insolvenzverwalter (Treuhänder) übergegangen. Gemäß § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Kläger zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehörte und das er während des Verfahrens erlangt (Insolvenzmasse). Dieser Grundsatz findet zwar in § 36 InsO eine Einschränkung. Denn Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung ausgesetzt sind, gehören gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Außerdem unterwirft § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO Arbeitseinkommen nur in Grenzen der Pfändbarkeit dem Insolvenzbeschlag, so dass der gemäß §§ 850 ff. ZPO unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens nicht Bestandteil der Insolvenzmasse wird. Diese Einschränkungen kommen im vorliegenden Fall jedoch nicht zum Tragen, da die Berufsunfähigkeitsrenten ...

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