Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeitszusatz-Versicherung: Pfändbarkeit der Versicherungsleistungen bei Selbständigen (auch) nach § 851c ZPO

 

Leitsatz (amtlich)

(Auch) § 851c ZPO i.d.F. des Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26.3.2007 (BGBl. I, 368) erfasst Berufsunfähigkeitsrenten einer (privaten) Berufsunfähigkeits-Versicherung Selbständiger nicht, wenn diese - wie üblich - Leistungen nur bis zu einer bestimmten Altersgrenze verspricht. Die Leistungen sind pfändbar.

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Urteil vom 22.07.2008; Aktenzeichen 23 O 259/07)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.07.2010; Aktenzeichen IX ZR 132/09)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 22.7.2008 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des LG Dortmund wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger ist durch Beschluss des AG C vom 5.9.2006 (Bl. 6/AZ: 1506 IN 2521/06) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des I. Sch. bestellt worden.

Der Insolvenzschuldner Sch war selbständig und betrieb einen Handel mit Türen und Fenstern einschließlich Service und Montage.

Im Jahre 1994 schloss Sch mit der Beklagten einen sog. Rentenversicherungsvertrag. Dabei handelt es sich um eine Lebensversicherung über eine lebenslang zu zahlende Rente i.H.v. monatlich 91,30 EUR, zahlbar ab dem 1.10.2025 oder die Zahlung einer Kapitalabfindung von 14.325 EUR zum 1.10.2025. Zusätzlich wurde für den Fall der Berufsunfähigkeit die Zahlung einer Rente i.H.v. monatlich 912,11 EUR bis zum 1.10.2020, fällig vierteljährlich im Voraus, und Beitragsbefreiung vereinbart. Wegen der weiteren Einzelheiten des Versicherungsvertrages wird auf den Dynamik-Nachtrag zum Versicherungsschein mit der Nr. 8212100 vom 26.8.2003 (Bl. 15 ff.) Bezug genommen.

In der Folgezeit wurde der Insolvenzschuldner Sch berufsunfähig. Die Beklagte leistet seitdem Rentenzahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung i.H.v. monatlich 912,11 EUR an ihn.

Mit Schreiben vom 28.8.2006 (Bl. 18) forderte der Kläger die Beklagte im Insolvenzeröffnungsverfahren auf, den Rückkaufswert aus der Kapitallebensversicherung und die laufenden Renten aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) an ihn zu leisten. Die Beklagte zahlte jedoch nur den Rückkaufswert der Lebensversicherung i.H.v. 4.811,27 EUR an ihn aus.

Mit Schreiben vom 21.9.2006 informierte der Kläger die Beklagte über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und seine Bestellung zum Insolvenzverwalter durch Beschluss des AG C vom 5.9.2006.

Durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 9.5.2007 (Bl. 25 ff.) forderte der Kläger die Beklagte letztmalig zur Zahlung der Rente an die Insolvenzmasse auf. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 16.5.2007 (Bl. 28 f.) endgültig ab.

Mit der am 8.4.2008 zugestellten Klage (Bl. 66) und der am 6.6.2008 zugestellten Klageerweiterung (Bl. 90) macht der Kläger die Rentenleistungen aus der BUZ für die Monate Januar 2007 bis März 2008 i.H.v. 15 Raten à 912,11 EUR sowie außergerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 507,50 EUR, insgesamt 14.182,22 EUR geltend.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Rente aus der BUZ sei pfändbar und damit massezugehörig.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Berufsunfähigkeitsrente sei nicht pfändbar und gehöre damit auch nicht zur Insolvenzmasse.

Das LG hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 14.182,22 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen zu zahlen.

Der Kläger könne als Insolvenzverwalter von der Beklagten die Zahlung fälliger Rentenbeträge aus der BUZ i.H.v. insgesamt 13.674,72 EUR für Januar 2007 bis März 2008 verlangen. Er sei gem. § 80 Abs. 1 InsO berechtigt, die Rechte des Schuldners aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen. Als zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung im Vermögen des Schuldners vorhandene bzw. danach erlangte Vermögensbestandteile seien die Rentenleistungen gem. § 35 InsO Bestandteil der Insolvenzmasse. Die Rentenzahlungen unterlägen auch insgesamt der Zwangsvollstreckung, so dass sich aus § 36 Abs. 1 InsO nichts anderes ergäbe.

Dies gelte sowohl für die vor Inkrafttreten des Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge vom 26.3.2007 (BGBl. I, 368) mit Wirkung zum 1.4.2007 fällig gewordenen Raten für Januar bis März 2007, als auch für die nach Inkrafttreten der Novelle durch die Beklagte bis einschließlich März 2008 gezahlten Rentenleistungen.

Hinsichtlich der Beträge für Januar bis März 2007 ergebe sich eine Unpfändbarkeit und damit ein Ausscheiden aus der Insolvenzmasse weder aus § 850c ZPO, noch aus § 850b ZPO.

Auch die nach dem 1.4.2007 fällig gewordenen Ansprüche des Schuldners gegen die Beklagte seien pfändbar. Insoweit sei § 851c ZPO einschlägig. Die kumulativen Voraussetzungen des § 8...

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