Leitsatz (amtlich)

Zur Wirksamkeit einer Tarifbestimmung in der Fahrzeugversicherung, die im Versicherungsfall bei Überschreitung der im Versicherungsantrag genannten jährlichen Fahrleistung - unter Berücksichtigung des Zeitraums zwischen Versicherungsbeginn und Schadentag - eine Verdoppelung der Selbstbeteiligung vorsieht.

 

Tenor

Unter Abänderung des am 08.02.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Dortmund wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin (in Worten: eintausendeinhundertfünfund-fünfzig 30/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.06.2007 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von .

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin beantragte am 06.04.2006 bei der Beklagten den Abschluss einer Kraftfahrtversicherung für den Pkw BMW ..., die eine Fahrzeugvollversicherung mit einer Selbstbeteiligung von umfaßte. Im Antrag gab die Klägerin die jährliche Fahrleistung mit 15.000 km und den Tachostand mit 118.000 km an. Die Beklagte fertigte am 26.05.2006 den Versicherungsschein aus. Danach liegen dem Vertrag der Antrag und die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) sowie die Tarifbestimmungen für die Kraftfahrtversicherung (TB) zugrunde. In Ziffer 13 e der Tarifbestimmungen heißt es unter der Überschrift "Erhöhte Selbstbeteiligung im Schadenfall".

1.

Besteht für einen Pkw eine Fahrzeugversicherung, so wird eine bestehende Selbstbeteiligung im Schadenfall verdoppelt, bzw. wenn eine Fahrzeugversicherung ohne Selbstbeteiligung besteht, die Entschädigungsleistung um einen Betrag von gekürzt, wenn

a)

im Schadenfall festgestellt wird, dass die vom Versicherungsnehmer im Antrag genannte jährliche Fahrleistung - unter Berücksichtigung des Zeitraums zwischen Versicherungsbeginn und Schadentag - um mehr als 25 % überschritten wurde oder ..."

Die Klägerin nahm die Beklagte wegen Schäden aufgrund eines Unfalls vom 26.05.2007 in Anspruch. Die Klägerin bat in der Folgezeit um Auszahlung des durch Gutachten ermittelten Reparaturkostenaufwand von netto unter Abzug der Selbstbeteiligung von . Die Beklagte rechnete mit Schreiben vom 05.06.2007 unter Abzug der doppelten Selbstbeteiligung, nämlich , ab, da der Pkw der Klägerin die im Antrag angegebene jährliche Fahrleistung von 15.000 km unter Berücksichtigung des Zeitraums zwischen Antragstellung und Unfalltag um mehr als 25 % überschritten habe. Mit Schreiben vom 15.06.2007 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zur Zahlung von bis zum 22.06.2007 auf. Dieser Betrag und die vorgerichtlichen Anwaltskosten sind Klagegegenstand.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Tarifbestimmung in Ziffer 13 e sei eine überraschende versteckte Strafklausel und daher nach § 305 c Abs. 1 BGB unwirksam. Der Versicherungsnehmer dürfe davon ausgehen, 15.000 km in einem Vertragsjahr zurücklegen zu dürfen, gleichgültig ob zu Beginn oder zu Ende des Jahres.

Die Beklagte hat vorgetragen, die Klausel sei weder überraschend noch ungewöhnlich. Die Kilometer seien für das Antragsdatum 21.04.2006 zutreffend berechnet worden.

Das Amtsgericht hat die Klage im schriftlichen Verfahren abgewiesen, da die Klausel nicht überraschend sei. Vom Versicherungsnehmer sei zu erwarten, dass er die Klausel zur Kenntnis nehme. Durch die höhere Fahrleistung bestehe ein höheres Risiko.

Mit der Berufungsbegründung ergänzt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Versicherungsnehmer könne davon ausgehen, dass er frei entscheiden könne, wann er die Kilometerlaufleistung von 15.000 km innerhalb eines Jahres in Anspruch nehme, da es im Versicherungsschein unter Risikobeschreibung heiße:

"Fahrzeugart Pkw... - jährliche Fahrleistung bis 15.000 km". Ansonsten hätten kürzere Zeitabschnitte vereinbart werden müssen. Im Versicherungsvertrag sei außerdem nicht festgehalten, dass sich der Selbstbehalt verdoppeln werde und dass eine tägliche Laufleistung vereinbart worden sei. Die Regelung sei mehrdeutig.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 08.02.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Dortmund die Beklagte zu verurteilen, an sie nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.06.2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, dass die Klausel nicht ungewöhnlich sei und auch andere Versicherer derartige Abzüge vornehmen. Die Auslegung der Klausel sei eindeutig festzulegen. Eine Höchstleistung könne nur bei einem nach Datum bestimmten Stichtag geregelt werden.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Klägerin steht aus dem Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 VVG ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von gegen die Beklagte zu. Die von der Beklagten verwendete Klausel Ziffer 13 e (1) a) der Tarifbestimmungen ist gemäß §§ 305 c, 307 BGB in mehrfacher Hinsicht unwirksam. Die Klausel ist sowohl überraschend wie auch mehrdeutig für den Versicherungsnehmer.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge