Verfahrensgang

AG Bielefeld (Entscheidung vom 08.05.2012; Aktenzeichen 412 C 102/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 08.05.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Zwischen den Parteien besteht Streit über die Möglichkeit des Widerrufs eines Leasingvertrages.

Der Kläger unterschrieb am 02.09.2011 einen Antrag auf Abschluss eines Leasingvertrages über einen Pkw Shenyang Brilliance Jinbei. Die Beklagte bestätigte die Annahme des Leasingvertrages mit Schreiben vom 05.09.2011. Der Leasingvertrag war für eine Laufzeit von 24 Monaten geschlossen und sah eine jährliche Fahrleistung von 10.000 km vor. Die monatliche Leasingrate sollte 105,00 € betragen. Außerdem war eine Sonderzahlung in Höhe von 2.000,00 € vorgesehen. Nach Ziffer XVI.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten musste das Fahrzeug nach Ablauf der vereinbarten Leasingzeit "in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden und Mängeln sowie verkehrs- und betriebssicher" sein. Normale Verschleißspuren sollten nicht als Schaden gelten. Ziffer XVII.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sieht für den Fall, dass das Fahrzeug bei Rückgabe nicht diesem Zustand entspricht und dadurch im Wert gemindert ist, die Verpflichtung des Leasingnehmers zum Ausgleich des Minderwerts vor. Ein Widerrufsrecht wurde nicht vereinbart.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.09.2011 erklärte der Kläger den Widerruf des Leasingvertrages.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er sei in entsprechender Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB zum Widerruf berechtigt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass er den mit der Beklagten geschlossenen Leasingvertrag vom 02.09.2011 wirksam widerrufen habe.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass nach der ab dem 11.06.2010 geltenden Neufassung des § 506 BGB im Rahmen der Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG für eine entsprechende Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB kein Raum bleibe. Dem Kläger stehe daher kein Widerrufsrecht zu.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Dem Leasingnehmer stehe bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung in entsprechender Anwendung der §§ 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 1, 495, 355 BGB ein Widerrufsrecht zu. Nach der bis zum 10.06.2010 geltenden Rechtslage habe der BGH die Auffassung vertreten, dass ein Leasingvertrag eine Finanzierungshilfe gewähre, sofern der Leasingnehmer für die Amortisation der vom Leasinggeber für die Anschaffung der Leasingsache gemachten Aufwendungen und Kosten einzustehen habe. Das sei auch beim Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung der Fall, weil der Leasingnehmer insoweit für den Erhaltungszustand der Leasingsache einzustehen habe und den Minderwert auszugleichen habe. Die Neuregelung des § 506 BGB rechtfertige keine Abweichung von dieser Rechtsprechung, denn es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bewusst von dieser Rechtsprechung habe abweichen und die Verbraucherrechte habe einschränken wollen.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen die Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs des Leasingvertrages. Sie wiederholt mit vertiefenden Ausführungen ihre Rechtsauffassung, dass insbesondere auch unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung eine entsprechende Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB auf Leasingverträge mit Kilometerabrechnung nicht mehr in Betracht komme. Der Gesetzgeber habe den Verbraucherschutz bewusst eingeschränkt. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bielefeld vom 08.05.2012 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und verweist darauf, dass die überwiegende Auffassung im Schrifttum für eine "verbraucherfreundliche" Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB eintrete.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Kläger hat seine auf Abschluss des Leasingvertrages gerichtete Willenserklärung vom 02.09.2011 nicht wirksam nach §§ 355 Abs. 1, 495 Abs. 1, 506 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB widerrufen.

Nach § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gilt ein Vertrag über die entgeltliche Nutzung eines Gegenstandes als entgeltliche Finanzierungshilfe, wenn vereinbart ist, dass der Verbraucher bei Beendigung des Vertrages für einen bestimmten Wert des Gegenstandes einzustehen hat. Das setzt voraus, dass der Verbraucher bei Beendigung des Vertrages für einen bestimmten Wert des Leasinggegenstandes einzust...

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