Verfahrensgang

AG Berlin-Neukölln (Entscheidung vom 09.12.2010; Aktenzeichen 12 C 41/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 27.03.2012; Aktenzeichen 5 StR 103/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 09. Dezember 2010 - 12 C 41/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen.

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 13. Dezember 2010 zugestellte Urteil des Amtsgerichts hat die Klägerin mit am 12. Januar 2011 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und die Berufung mit am 11. März 2011 nach entsprechend erfolgter Verlängerung der Frist per Telefax begründet.

Die Klägerin meint, das Sachverständigengutachten habe ergeben, dass dem Interesse des Beklagten, Fernsehprogramme aus seinem Herkunftsstaat zu empfangen, durch die im Internet gegebenen Angebote ausreichend entsprochen sei, so dass er keinen Anspruch auf die Duldung der Parabolantenne auf seinem Balkon mehr habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils,

den Beklagten zu verurteilen, die an dem Balkon seiner Wohnung, gelegen im Hause ..., I. Geschoss links, Mietobjektnr.: ..... in ...Berlin, angebrachte Parabolantenne zu entfernen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil mit dem Vorbringen, dass die im Internet gegebenen Möglichkeiten mit herkömmlichen Fernsehprogrammangeboten von der Qualität her nicht zu vergleichen seien und seinen und den Bedürfnissen seiner Familie nicht gerecht werde.

II.

Die Berufung ist gemäß §§ 511 ff. ZPO zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig gemäß § 517 ZPO eingelegt worden, da die Berufungsbegründung rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist am 11. März 2011 per Telefax eingegangen war.

In der Sache ist die Berufung jedoch ohne Erfolg, sie rechtfertigt keine andere Entscheidung §§ 513, 529, 546 ZPO.

Die Klägerin hat keinen sich aus § 541 BGB ergebenden Anspruch auf Entfernung der Parabolantenne auf dem Balkon der Wohnung des Beklagten. Sie muss diese vielmehr weiter dulden. Die Umstände dieses Einzelfalles führen bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem durch Art. 14 GG geschützten Eigentumsinteresse der Klägerin und dem ebenfalls grundgesetzlich geschützten Informationsinteresse gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs 2 GG und der hier ebenfalls betroffenen grundgesetzlich geschützten Glaubens- und Religionsfreiheit gemäß Art. 4 GG zu der Bewertung, dass die Interessen des Beklagten als Mieter hier überwiegen.

Denn ohne diese Parabolantenne ist es dem Mieter derzeit nicht möglich, sein Informationsinteresse und sein Recht zur Ausübung seines Glaubens mithilfe des Mediums Fernsehen in einwandfreier Qualität zu befriedigen. So hat das Bundesverfassungsgericht 1994 entschieden (Beschluss vom 09.02.1994Y1 -BvR 1687/92 , BVerfGE 90, 27 ff. = NJW 1994, 1147ff. = Grundeigentum 1994, 396ff., zitiert nach [...]), dass Hörfunk- und Fernsehempfang ein wesentlicher Bestandteil des häuslichen Lebens ist und deshalb zur üblichen Nutzung einer Wohnung gehört, so dass sich ein Mieter nicht vertragswidrig verhält, wenn er Anlagen zum einwandfreien Empfang dieser Medien errichtet.

Das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten hat ergeben, dass über den von der Klägerin zur Verfügung gestellten Kabelanschluss arabischsprachige Sender nicht zu empfangen sind.

Auch die über eine Aufrüstung durch eine digitale Kabelbox zu empfangenden vier arabischen Sender (...,...,...und ....) stammen nicht aus Ägypten. Der international bekannte Sender ...hat seinen Sitz in ... und bedient den gesamten arabischen Raum, ist aber nicht spezifisch ägyptisch.

Die über das Internet (...) gegebene Möglichkeit, diverse Fernsehsender, einschließlich Staatsfernsehsender aus Ägypten zu verfolgen, stellt zur Zeit noch keinen adäquaten Ersatz für einen nach heutigen Vorstellungen üblichen und einwandfreien Fernsehempfang dar, wie er über Parabolantennen möglich ist. Auch der vom Amtsgericht beauftragte Sachverständige hat auf Seite 5 seines Gutachtens ausdrücklich ausgeführt:"Um einen einwandfreien Empfang zu ermöglichen für ägyptische TV-Sender, bleibt nur die Installation auf dem Balkon oder eine Dachmontage", wobei sich diese Bewertung auf offensichtlich auf eine (Parabol-)antenne bezieht.

Für die über das Internet anzusehenden ägyptischen Sender hat der Sachverständige eine befriedigende Qualität bescheinigt, was bereits erkennen lässt, dass es hier einen erheblichen Qualitätsunterschied zu einer einwandfreien oder guten Empfangsmöglichkeit gibt. Insoweit setzt sich das Amtsgericht auch nicht in einen Widerspruch zu dem Ergebnis des Sachverständigen. Aber auch das Berufungsgericht kommt zu dem Ergebnis, dass auch eine befriedigende Qualität der übertragenen Signale und der zu sehenden Bilder sich nicht mehr ergib...

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