Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummietvertrag: Unwirksamkeit eines zeitweisen Mietverzichts in einer Zusatzvereinbarung wegen Umgehung gesetzlicher Mieterhöhungsmöglichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Verzichtet der Vermieter in einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vorläufig auf einen Teil der Miete (hier: Modernisierungsanteil nach Förderung durch öffentliche Mittel) mit der Maßgabe, daß nach Wegfall der Verzichtsgrundlagen (hier: Wegfall der mit der Förderung festgesetzten Mietobergrenze) die volle Miete zu zahlen ist, verstößt diese Vereinbarung gegen § 557 Abs. 4 BGB wegen Umgehung der Mieterhöhungsmöglichkeiten nach §§ 558 bis 560 BGB.

 

Orientierungssatz

Vereinbarungen, wonach dem Mieter auf die fest vereinbarte Miete wegen besonderer Umstände ein Mietnachlaß gewährt wird, der in genau festgelegten Stufen wegfallen soll, können zwar unter Umständen als Staffelmietzinsvereinbarung gemäß § 10 Abs. 2 MHG wirksam sein. Voraussetzung für eine wirksam vereinbarte Staffelmiete ist aber, daß der Zeitpunkt der Erhöhung genau bestimmt oder zumindest nach dem Kalender bestimmbar ist. Daran fehlt es hier.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. September 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg - 10 C 23/02 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der jeweils vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Klägerin vermietete den Beklagten durch Mietvertrag vom 22. Mai 1997 die von diesen inne gehaltene Wohnung. In der Zusatzvereinbarung zu dem Mietvertrag heißt es:

"Vor Beginn des Mietverhältnisses wurden in dem Wohngebäude folgende Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt:

- Einbau einer zentralen Heizungsanlage

- Einbau einer zentralen Warmwasserbereitungsanlage

- Verstärkung der Elektroinstallation

- Wärmedämmarbeiten

- Einbau von isolierverglasten Fenstern

Durch diese Baumaßnahmen erhöht sich der für die Wohnung bisher preisrechtlich zulässige Nettokaltmietzins

von 569,08 DM/mtl.

um 317,94 DM/mtl.

auf 887,02 DM/mtl.

...

Die Baumaßnahme wurde durch öffentliche Mittel gefördert. Deshalb hat die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen Mietobergrenzen festgesetzt. Für 1996 beträgt diese 5,50 DM/qm Wohnfläche monatlich.

Es wird daher ein - vorläufiger - Mietverzicht in Höhe von

304,13 DM/mtl.

ausgesprochen, so daß netto kalt gegenwärtig zu zahlen sind:

582,89 DM/mtl.

Dieser Betrag ist unter 1.1 der Anlage 1 zum Mietvertrag (Berechnung der Miete) bereits ausgewiesen."

Mit Schreiben vom 15. Mai 2001 teilte die Klägerin den Beklagten mit, dass der Förderzeitraum nunmehr abgelaufen sei und sie den vorläufigen Mietverzicht aufhebe. Sie verlangt ... von den Beklagten für die Zeit von Juli bis Dezember 2001 Zahlung einer restlichen Nettomiete von monatlich 141,95 Euro (277,63 DM). Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen der vor dem 1. Juli 2001 geschuldeten und in dieser Höhe von den Beklagten weiter gezahlten Nettokaltmiete und der von der Klägerin angesetzten Miete von 887,02 DM netto kalt. Von dem restlichen Mietzins für den Monat Juli 2001 zieht die Klägerin ein Guthaben der Beklagten in Höhe von 7,41 Euro ab. Das Amtsgericht hat mit dem von der Klägerin angefochtenen Urteil vom 16. September 2002 ein zuvor gegen die Beklagten erlassenes Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Zusatzvereinbarung sei unwirksam. Dadurch, dass die Klägerin einseitig den Mietverzicht aufheben könne, werde sowohl die Vorschrift des § 558 BGB n.F./ § 2 MHG umgangen als auch gegen § 559 BGB n.F./§ 3 MHG verstoßen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag in Höhe von 844,29 Euro weiter verfolgt, während die Beklagten die Zurückweisung der Berufung erstreben.

Im übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil gemäß § 540 Abs.1 Nr.1 ZPO n.F. Bezug genommen. Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat sein Versäumnisurteil zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf rückständige Miete für die Monate Juli bis Dezember 2001 besteht nicht. Der für den fraglichen Zeitraum geschuldete monatliche Nettokaltmietzins übersteigt den von den Beklagten gezahlten Betrag von 609,39 DM (311,58 Euro) nicht.

Die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 22. Mai 1997 weicht zum Nachteil der Mieter von den Vorschriften der §§ 1 bis 9 MHG ab und ist daher nach § 10 Abs.1 MHG unwirksam. Diese Vorschrift kommt hier zum Zuge, denn sie war zum Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses noch in Kraft. Eine aufgrund früher geltenden Gesetzes erlangte Rechtsposition bleibt auch nach dem Inkrafttreten...

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