Entscheidungsstichwort (Thema)

Mieterhöhungsverlangen. Öffentlich geförderter Wohnraum. Vorläufiger Mietverzicht. Mietzins in Zusatzvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Zu einem "vorläufigen Mietverzicht" bei durch öffentliche Mittel geförderten Baumaßnahmen.

 

Normenkette

MHG § 10 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 09.01.2003)

AG Berlin-Lichtenberg

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 62 des LG Berlin v. 9.1.2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin vermietete den Beklagten durch Mietvertrag v. 22.5.1997 eine Wohnung im Hause M. Straße in B. In der Zusatzvereinbarung zu dem Mietvertrag heißt es:

"Vor Beginn des Mietverhältnisses wurden in dem Wohngebäude M. Straße folgende Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt:

- Einbau einer zentralen Heizungsanlage

- Einbau einer zentralen Warmwasserbereitungsanlage

- Verstärkung der Elektroinstallation

- Wärmedämmarbeiten

- Einbau von isolierverglasten Fenstern

Durch diese Baumaßnahmen erhöht sich der für die Wohnung bisher preisrechtlich zulässige Nettokaltmietzins von 569,08 DM/monatlich um 317,94 DM monatlich auf 887,02 DM - monatlich.

Die Baumaßnahme wurde durch öffentliche Mittel gefördert. Deshalb hat die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen Mietobergrenzen festgesetzt. Für 1996 beträgt diese 5,50 DM/qm Wohnfläche monatlich.

Es wird daher ein - vorläufiger - Mietverzicht i. H. v. 304,13 DM/monatlich ausgesprochen, so dass nettokalt gegenwärtig zu zahlen sind: 582,89 DM/monatlich.

Dieser Betrag ist unter 1.1 der Anlage 1 zum Mietvertrag (Berechnung der Miete) bereits ausgewiesen."

Mit Schreiben v. 15.5.2001 teilte die Klägerin den Beklagten mit, dass der Förderzeitraum nunmehr abgelaufen sei und sie den vorläufigen Mietverzicht aufhebe. Sie verlangt von den Beklagten für die Zeit von Juli bis Dezember 2001 Zahlung einer restlichen Nettomiete von monatlich 141,95 Euro (277,63 DM). Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen der vor dem 1.7.2001 geschuldeten und in dieser Höhe von den Beklagten weitergezahlten Nettokaltmiete und der von der Klägerin angesetzten Miete von 887,02 DM netto kalt.

Das AG hat die Klage abgewiesen, das LG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin. Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf rückständige Miete für die Monate Juli bis Dezember 2001. Die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag v. 22.5.1997 weiche zum Nachteil der Mieter von den Vorschriften der §§ 1 bis 9 MHG ab und sei daher nach § 10 Abs. 1 MHG unwirksam. Diese Vorschrift komme hier zum Zuge, denn sie sei zum Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses noch in Kraft gewesen. Die Zusatzvereinbarung räume der Klägerin das Recht ein, zu einem nicht näher bestimmten Zeitraum eine höhere Miete zu verlangen, ohne dass sie um die Zustimmung der Mieter unter Beachtung des § 2 MHG ersuchen müsste. Auch von der Einhaltung der Kappungsgrenze wäre sie freigestellt. Schließlich könnte sie auch für die vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen einen Zuschlag verlangen, obwohl nur die Modernisierung während des Bestehens des Mietverhältnisses von § 3 MHG erfasst werde. Dabei seien jedoch auch bei öffentlich gefördertem Wohnraum, der - wie die streitgegenständliche Wohnung - nicht preisgebunden sei, die materiellen und formellen Voraussetzungen des gesetzlich vorgesehenen Mieterhöhungsverfahrens zu beachten. Alle generellen Regelungen, die Einfluss auf die künftige Miethöhe hätten und dazu führten, dass der Vermieter einseitig unter Außerachtlassung des MHG die Miete erhöhen könne, insbesondere die Vereinbarung einer "vorläufigen" Miete, seien unwirksam. Vereinbarungen, wonach dem Mieter auf die fest vereinbarte Miete wegen besonderer Umstände ein Mietnachlass gewährt werde, der in genau festgelegten Stufen wegfallen solle, könne zwar unter Umständen als Staffelmietzinsvereinbarung wirksam sein. Voraussetzung für eine wirksam vereinbarte Staffelmiete sei aber, dass der Zeitpunkt der Erhöhung genau bestimmt oder zumindest nach dem Kalender bestimmbar sei. Daran fehle es hier.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Zu Recht hält das Berufungsgericht die Zusatzvereinbarung zu dem Mietvertrag, die Grundlage der Mietzinsforderung der Klägerin ist, für unwirksam nach § 10 Abs. 1 MHG.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass auf die vor dem 1.9.2001 zugegangene Mieterhöhungserklärung der Klägerin die Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe in der bis 31.8.2001 geltenden Fassung Anwendung finden (Art. 229 § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB).

2. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Zusatzvereinbarung zu dem Mietvertrag sei nach § 10 Abs. 1 MHG nicht unwirksam, weil es sich hierbei um eine Vereinbarung während des Bestehens des Mietverhältnisses handele, für die die Ausnahmeregelung des § 10 Abs. 1 MHG gelte.

Die Behauptung der Klägerin in der Revisionsbegründung, die Parteien hätten zunächst den Hauptmietvertrag und erst danach die Zusatzvereinbarung unterzeichnet, die Parteien hätten mithin die Erhöhung des Mietzinses erst nach Abschluss des eigentlichen Mietvertrages vereinbart, ist der Vortrag neuer Tatsachen, die im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt werden dürfen. § 559 Abs. 1 S. 1 ZPO bestimmt, dass lediglich dasjenige Vorbringen der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Im amtsgerichtlichen Urt. v. 16.9.2002, auf das das Berufungsurteil gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug nimmt, ist ausdrücklich festgestellt worden, dass die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag bei Vertragsunterzeichnung und nicht im Laufe des Mietverhältnisses geschlossen worden ist. Das entspricht dem Vortrag der Klägerin und ist auch in der Berufungsinstanz nicht in Zweifel gezogen worden.

3. Entgegen der Ansicht der Revision verlangt die Klägerin von den Beklagten mit der vorliegenden Klage nicht den ursprünglich vereinbarten Mietzins. Die Höhe des von den Beklagten nach dem Mietvertrag v. 22.5.1997 geschuldeten Mietzinses wird - wie schon das AG richtig festgestellt hat - durch die dem Mietvertrag als Anlage 1 beigefügte Mietzinsberechnung bestimmt. Dieser Betrag sollte auch nach der Zusatzvereinbarung, die auf die Mietberechnung Bezug nimmt, bis auf weiteres die vereinbarte Gegenleistung für die Überlassung der Wohnung an die Beklagten sein. Dabei war beiden Vertragsparteien bewusst, dass die Klägerin mit Rücksicht auf den mit der Stadt B. abgeschlossenen Fördervertrag keinen höheren Mietzins verlangen durfte.

4. Nicht zu beanstanden ist auch die Auslegung der Zusatzvereinbarung durch das Berufungsgericht dahin, dass diese der Klägerin das Recht einräumt, zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt eine höhere Miete verlangen zu können, unabhängig von den Voraussetzungen des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht deshalb an, dass die von der Klägerin ausbedungene Regelung mit § 2 MHG schon deshalb nicht zu vereinbaren ist, weil der Vermieter nach § 2 MHG lediglich die Zustimmung des Mieters zu einem berechtigten Erhöhungsverlangen beanspruchen, nicht aber die Mietzinserhöhung einseitig festlegen kann (vgl. auch OLG Stuttgart v. 7.9.1989 - 8 REMiet 1/89, 8 REMiet 2/89, MDR 1989, 1104 = NJW-RR 1989, 1357).

5. Ohne Erfolg macht die Revision weiterhin geltend, die Klägerin hätte den Mietvertrag ohne die Zusatzvereinbarung nicht abgeschlossen, weswegen sich die Frage nach dem rechtlichen Schicksal des Gesamtvertrages stelle.

Zutreffend hält das Berufungsgericht nur die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag v. 22.5.1997 nach § 10 Abs. 1 MHG für unwirksam. Die Unwirksamkeit einzelner Vereinbarungen hat auf die Wirksamkeit des Mietvertrages insgesamt aber keinen Einfluss. § 10 Abs. 1 MHG ist, ebenso wie die Nachfolgeregelung des § 557 Abs. 4 BGB, ein Schutzgesetz zu Gunsten des Mieters. Ein Verstoß gegen dieses Schutzgesetz führt nur zur Unwirksamkeit der für den Mieter nachteiligen Vertragsbestimmung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1090798

BGHR 2004, 217

NJW-RR 2004, 518

NZM 2004, 136

ZMR 2004, 174

MDR 2004, 325

WuM 2004, 29

MietRB 2004, 97

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