Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 16.05.1989; Aktenzeichen 17 C 205/89)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Mai 1989 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 17 C 205/89 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung war zurückzuweisen, weil das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht entschieden hat, daß dem Kläger ein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 2 Abs. 1 a), Abs. 2 ARB 75 zusteht.

Die Beklagte kann sich weder darauf berufen, daß kein Versicherungsschutz nach § 14 Abs. 3 Satz 3 ARB 75 bestehe, weil der tatsächliche oder behauptete Verstoß gegen Rechtspflichten innerhalb von drei Monaten nach Versicherungsbeginn liege, noch kann sie sich auf den Risikoausschluß der vorsätzlichen und rechtswidrigen Verursachung des Versicherungsfalls durch den Kläger (§ 4 Abs. 2 A) ARB 75) stützen. Denn sie berücksichtigt – ebenso wie bereits das amtsgerichtliche Urteil – nicht genügend, daß sie dem Kläger eine Deckungszusage erteilt hatte. Auf dem üblichen Formblatt hatte sie unter dem 4. Juni 1987 für die Klage vor dem Arbeitsgericht Rechtsschutz gewährt mit dem Zusatz: „Sollte das Gericht die von der Gegenseite zur Kündigung herangezogenen Gründe als erwiesen erachten, müßten wir uns zu unserem Bedauern auf § 4 Abs. 2 a) ARB berufen”; unter dem 12. Juni 1987 hatte sie dann auf einem gleichartigen Formblatt für die Klage „unter der Bedingung, daß die ausgesprochenen Vorwürfe sich nicht bestätigen”, Rechtsschutz gewährt.

An diese Deckungszusage ist die Beklagte gebunden.

1. Die Bedingung, unter der der zugesagte Rechtsschutz wegfallen sollte (§ 158 Abs. 2 BGB) ist nicht eingetreten. Denn der arbeitsgerichtliche Prozeß ist durch Vergleich beendet worden; dort hat das Gericht also die Frage, ob die Vorwürfe der Arbeitgeberin zutreffen („als erwiesen erachtet werden müßten”), nicht zu entscheiden gehabt. Bloße Mutmaßungen darüber, ob das Gericht bei seinem Vergleichsvorschlag, der von den Parteien angenommen worden ist, davon ausgegangen sein könnte, daß die Schuld des Klägers als erwiesen anzusehen wäre, vermögen die Bedingung nicht zu erfüllen. Überdies entzieht der Umstand, daß im Vergleich die Arbeitgeberin auf ihre Widerklageforderung von 10.258,– DM verzichtete, solchen Mutmaßungen jede konkrete Grundlage.

Auch aus dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren Amtsgericht Tiergarten … läßt sich nichts für den Standpunkt der Beklagten herleiten. Denn dieses Verfahren ist gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Die Einstellung des Strafverfahrens nach dieser Vorschrift beinhaltet aber gerade nicht, daß sich das Strafgericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt hätte, sondern es wird lediglich („… wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre …”) eine Prognoseentscheidung über den Grad der als gegeben unterstellten Schuld des Angeklagten getroffen. Daß der Weg der Einstellung des Verfahrens gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingeschlagen wird, bedeutet nämlich, daß gegen den Angeklagten ein Verdacht bestehen muß und daß ein Freispruch sogar unwahrscheinlich erscheint (vgl. Kleinknecht-Meyer, Kommentar zur StPO, 39. Aufl., § 153 Anm. 3), von der Feststellung eines Sachverhaltes, der eine strafrechtliche Verurteilung rechtfertigen würde, wird aber gleichwohl im Hinblick darauf abgesehen, daß die Schuld sich bei prognostischer Beurteilung ohnehin als gering erweisen würde.

Daher kann die Beklagte sich nicht mit Erfolg auf den Risikoausschluß des § 4 Abs. 2 a) ARB 75 berufen.

2. Auch der Einwand, der erste Verstoß des Klägers gegen Rechtsvorschriften falle noch in die 3-monatige Wartefrist, greift nicht durch. Auch insoweit ist zu bedenken, daß die Beklagte eine Deckungszusage und damit eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung abgegeben hat, von der sie sich nicht ohne weiteres lossagen kann. Vielmehr müßte sie sich auf Tatsachen berufen können, die ihre Leistungsfreiheit, etwa wegen Obliegenheitsverletzung, nach sich ziehen oder die eine Anfechtung wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung gerechtfertigt oder die weitere Bejahung ihrer Leistungspflichtigkeit wider Treu und Glauben als ungerechtfertigt erscheinen lassen würden. Solche Tatsachen sind jedoch nicht in rechtserheblicher Weise dargetan: Auf eine Obliegenheitsverletzung nach § 15 Abs. 1 a) ARB 75 beruft die Beklagte sich selbst nicht. Eine entsprechende Rüge hätte auch zumindest eingehender Erläuterung bedurft, denn die Prozeßbevollmächtigten des Klägers haben die Beklagte noch vor deren erster Deckungszusage, unter dem 19. Mai 1987, auszugsweise wie folgt informiert: „… Auslöser der Kündigung ist eine angebliche Unterschlagung, die Ende April 1987 erfolgt sein soll. Es ist jedoch möglich, daß die Beklagte auch weiter zurückliegende Verluste im Warenlager behaupten wird”.

Es ist also nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht ersichtlich, daß der Kläger die Aufklärungsobliegenheit verletzt, oder daß er die Beklagte g...

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