Verfahrensgang

AG Berlin-Neukölln (Urteil vom 26.05.2021; Aktenzeichen 2 C 125/19)

 

Tenor

Der Antrag der Beklagten vom 26. Mai 2021 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Berufungsverfahren gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 28.04.2021 – 2 C 125/19 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Beklagten bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die beabsichtigte Berufung der Beklagten wäre zwar zulässig, aber unbegründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts Neukölln beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von ihnen bewohnten Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.

Die vom Kläger mit Schreiben vom 08. Mai 2019 ausgesprochene fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung hat das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis fristgemäß zum 28. Februar 2020 beendet, § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1, 573c Abs.1 BGB. Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der außerordentlichen Kündigung, ist hier jedenfalls wirksam ordentlich gekündigt worden. Nach § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat; ein solches liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Beklagten haben ihre mietvertraglichen Pflichten – konkretisiert durch die Hausordnung – verletzt, indem sie entgegen dem nachbarlichen Rücksichtnahmegebot in einem Altbau im Zeitraum von Oktober 2018 bis März 2019 erhebliche Lärmbelästigungen zu verschulden hatten. Diese Pflichtverletzung ist auch nicht unerheblich; das Amtsgericht hat insofern vor allem die Zeugenaussage der Zeugin … zugrunde gelegt, die laute Streitigkeiten und Kindergeschrei zu Ruhezeiten angegeben hat, die aus der Wohnung der Beklagten kamen. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat das mit der Rechtsfindung ersuchte Gericht – in diesem Fall das Amtsgericht – unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet. Das Rechtsmittelgericht kann diese Überzeugungsfindung nur auf offensichtliche Widersprüche oder Unrichtigkeiten, Verstöße gegen Denk- oder Naturgesetze überprüfen; es darf hingegen nicht seine eigene Überzeugung an die Stelle der Überzeugung des beweiswürdigenden Gerichts setzen (OLG München, Beschl. v. 04.07.2017 – 28 U 635/17 Bau, zitiert nach beck-online). Das Amtsgericht darf sich dabei auf den gesamten Akteninhalt sowie einzelne Zeugenaussagen stützen. Unerheblich dafür ist, dass die Zeugin … bereits aus der Wohnung ausgezogen ist, denn in dem streitgegenständlichen Zeitraum, auf den sich die Kündigung bezieht, hat sie dort noch gewohnt und kann ihre Wahrnehmungen bekunden. Im Gegenteil ist der Umstand, dass sie nach eigener Aussage aufgrund der von ihr als unerträglich empfundenen Lärmbelästigungen aus der Wohnung ausgezogen ist, ein Anzeichen dafür, dass die Geräusche sehr erheblich und beeinträchtigend für die anderen Mieter waren. Hinzukommen aus Sicht der Kammer die gegenüber der Zeugin ausgesprochenen Beleidigungen „Schamuta” und das aggressive sowie unsittliche Verhalten (Spucken in den Hausflur) des Beklagten zu 1.) gegenüber der Hausgemeinschaft, was sowohl die Aussage dieser Zeugin als auch die schriftlichen Beschwerden der ehemals unter den Beklagten wohnenden Mietern nahe legen, auf deren Grundlage zahlreiche Abmahnungen seitens der Klägerin ausgesprochen worden sind.

Das Amtsgericht hat zudem berücksichtigt, dass Kinderlärm auch in Ruhezeiten nicht ganz ausgeschlossen werden kann. Von Kindern ausgehender Lärm wird nach § 22 Abs. 1a BImSchG grundsätzlich privilegiert, wobei diese Regelung nach der Rechtsprechung des BGH darauf angelegt ist, über seinen eigentlichen Anwendungsbereich und das damit vielfach umklammerte zivilrechtliche Nachbarrecht hinaus auch auf das sonstige Zivilrecht – insbesondere das Mietrecht – auszustrahlen. Diese Ausstrahlungswirkungen, die zugleich die Verkehrsanschauung zu Art und Maß der als sozialadäquat hinzunehmenden Geräuschimmissionen prägen, haben zur Folge, dass bei Kinderlärm der in § 22 Abs. 1a BImSchG beschriebenen Art...

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