Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Umsatzsteuerrückzahlung aufgrund einer Insolvenzanfechtung durch einen Insolvenzverwalter

 

Normenkette

InsO §§ 129, 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 143 Abs. 1 S. 1; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2; AO § 73 S. 1

 

Tenor

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 60.735,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.20009 zu zahlen.

Das beklagte Land trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin „F1” aus O1 gegen das beklagte Land einen Umsatzsteuerrückzahlungsanspruch auf Grund einer Insolvenzanfechtung geltend.

Mit Beschluss vom 01.02.2009 des Amtsgerichts Arnsberg (Az. 21 IN 265/07) wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt, nachdem diese am 19.12.2008 einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Die Insolvenzschuldnerin war in finanzieller, wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht in das Vermögen ihres Alleingesellschafters und Geschäftsführers, Herrn P1, eingegliedert. Wegen der weiteren unstreitigen Einzelheiten hierzu wird Bezug genommen auf die Klageschrift. Der Alleingesellschafter war und ist solvent und in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu bedienen.

Das beklagte Land hatte bereits per Lastschrifteneinzug am 14.10.2008 eine Umsatzsteuerzahlung für den Zeitraum 08/2008 in Höhe der Klageforderung von dem Geschäftskonto der Insolvenzschuldnerin bei der Sparkasse O2, Kto. Nr. … erhalten. Für dieses Geschäftskonto übersandte die Sparkasse O2 jeweils monatlich einen Abschluss. Gemäß den AGB der Bank bestand die Möglichkeit, gegen die Lastschriften binnen sechs Wochen ab dem monatlichen Kontoabschluss Widerspruch einzulegen.

Mit Schreiben vom 02.11.2009 erklärte der Kläger gegenüber dem beklagten Land die Anfechtung der Zahlung. Das beklagte Land verweigerte mit Schreiben vom 10.11.2009 eine Rückzahlung.

Der Kläger ist der Auffassung, er könne die Lastschriftbuchungen auf Grundlage des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechten. Insbesondere handele es sich bei dem beklagten Land um einen Insolvenzgläubiger der Schuldnerin im Sinne der Insolvenzordnung.

Der Kläger beantragt,

das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 60.735,73 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2009 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land ist der Ansicht, in der hier vorliegenden Konstellation einer umsatzsteuerlichen Organschaft sei das Finanzamt nicht Insolvenzgläubiger i. S. d. InsO, da nicht die Organgesellschaft (Insolvenzschuldnerin), sondern der Organträger (Herr P1) gem. § 2 Abs. 2 Ziffer 2 Umsatzsteuergesetz Steuerschuldner sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Entscheidung vom 23.09.2009 – VII R 43/08) komme eine Anfechtung bei dieser Konstellation nicht in Betracht. Auch liege keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 132 I Nr Nr. 2 InsO vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageerwiderung Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die wechselseitig bei Gericht eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

I.

Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Steuerzahlungen i. H. v. 60.735,73 EUR folgt aus §§ 143 Abs. 1 S. 1, 129, 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die im letzten Monat vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglich hat, die er nicht, nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Darüber hinaus ist eine Gläubigerbenachteiligung erforderlich. Diese Voraussetzungen sind hier sämtlich erfüllt.

1.

Zu den Rechtshandlungen i. S. d. §§ 129, 131 InsO gehören auch verfügende Rechtsgeschäfte, also das Erbringen von Steuerzahlungen sowie die Genehmigung von Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren. Da die Zahlungen durch das Einzugsermächtigungsverfahren erfolgt sind, liegt die maßgebliche Rechtshandlung hier in der Genehmigung (vgl. OLG Köln, WM 2009, 889; Palandt, 68. A., § 676f Rn. 29). Eine ausdrückliche Genehmigung ist nicht erfolgt. Abzustellen ist daher auf die Genehmigungsfiktion nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Sparkasse. Der Forderungseinzug vom 14.10.2008 wurde der Insolvenzschuldnerin mit der Monatsabrechnung zum 31.10.2008 mitgeteilt. Nach Ablauf der sechswöchigen Widerspruchsfrist lag damit am 12.12.2008 die Genehmigung vor. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte am 19.12.2008, so dass die Monatsfrist des § 131 I Nr. 1 InsO gewahrt ist.

2.

Diese Befriedigung kam – entgegen der Rechtsansicht des beklagten Landes – auch dem Finanzamt als Insolvenzgläubigerin i. S. d. §§ 129 ff. InsO zu Gute.

Der in § 131 InsO verwendete Begriff „...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge