Verfahrensgang

AG Aachen (Urteil vom 05.02.1991; Aktenzeichen 7 C 522/90)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 5. Februar 1991 verkündete Urteil des Amtsgerichts Aachen – 7 C 522/90 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die Beklagte wird verurteilt, die Bestimmung des Umlegungsmaßstabes nach Ziffer 2. Absatz 8 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Mietvertrag der Parteien vom 2. Oktober 1975 dahingehend abzuändern, daß die Kosten für Wasserverbrauch und Entwässerung im Verhältnis zur Klägerin künftig nach Kopfteilen abgerechnet werden. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Absatz 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Klägerin hat auch in der Sache weitgehend Erfolg.

Die Klage ist im wesentlichen begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, bei der Umlegung der Wasser- und Abwasserkpsten im Haus …, den Verteilungsschlüssel dahingehend zu ändern, daß im Verhältnis zur Klägerin künftig nach Kopfteilen, also nach der Zahl der Hausbewohner abgerechnet wird. Das weitergehende Klagebegehren, wonach die Beklagte in eine Vertragsänderung einwilligen soll, die diesen Verteilungsmodus – unter Aufhebung des Bestimmungsrechts der Beklagten – als endgültige Regelung festschreiben würde, ist dagegen nicht gerechtfertigt. Das Bestimmungsrecht der Beklagten bleibt erhalten und ermöglicht für die Zukunft unter der Voraussetzung wesentlich veränderter tatsächlicher Verhältnisse eine erneute abweichende Festlegung.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, daß der bislang gehandhabte Abrechnungsmodus den mietvertraglichen Vereinbarungen der Parteien entsprach. Nach Ziffer 2. Absatz 8 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen wird der Umlegungsmaßstab (Verteilungsschlüssel) von dem Wohnungsunternehmen festgesetzt. Von diesem Bestimmungsrecht hat die Beklagte in der Weise Gebrauch gemacht, daß die Kosten der Frischwasserversorgung und der Abwasserentsorgung des Hauses nach dem Verhältnis der Wohnflächen der Mietwohnungen (Flächenmaßstab) umgelegt worden sind. Dies begegnet im Grundsatz keinen rechtlichen Bedenken.

Das Bestimmungsrecht läßt begriffsnotwendig nicht nur eine einzige mögliche Entscheidung zu, sondern gewährt die Wahl unter den Möglichkeiten eines bis an die Grenzen der Billigkeit reichenden Ermessensspielraums. Das Ermessen eröffnet also grundsätzlich die Wahlfreiheit zwischen mehreren Größen innerhalb des Ermessensrahmens. Hält die Parteibestimmung sich im Rahmen billigen Ermessens und weist sie keine Ermessensfehler auf, so ist sie gemäß § 315 Absatz 3 Satz 1 BGB verbindlich. Der von der Beklagten gewählte Flächenmaßstab ist nicht schlechthin in jedem Fall unbillig und deshalb unverbindlich, vielmehr – wie das Amtsgericht überzeugend ausgeführt hat – regelmäßig nicht zu beanstanden. Er knüpft nicht an eine willkürliche Größe an, die keinen Bezug zum Verbrauch hätte und bereits deshalb zu verwerfen wäre. Dem Flächenmaßstab liegt die Erwägung zugrunde, daß die Wohnungsgrößen in der Regel in einem bestimmten, also untereinander vergleichbaren Verhältnis zu der Anzahl der in den Wohnungen lebenden Personen stehen und es damit auch gestattet ist, den Verbrauch an Wasser sowie den Anfall von Abwasser in den einzelnen Wohnungen rechnerisch zueinander in ein Verhältnis zu setzen. Diese Annahme ist nicht sachfremd, sondern entspricht jedenfalls in groben Zügen der Lebenswirklichkeit. Wenn gleichwohl in zahlreichen Fällen dieses Verhältnis nicht zutreffen sollte, weil etwa weniger Personen eine größere Fläche bewohnen oder umgekehrt zahlreiche Personen eine geringere Anzahl von Quadratmetern, so wird hierdurch die Anwendbarkeit des Flächenmaßstabes nicht generell ausgeschlossen oder in Frage gestellt. Vielmehr ist dann im Einzelfall zu entscheiden, ob bei erheblichen Abweichungen der Flächenmaßstab noch anwendbar ist (OLG Hamm, RE vom 27. September 1983, NJW 1984, 984 ff. = ZMR 1984, 14, 15 = WM 1983, 815).

Voraussetzung für den Ausschluß des Flächenmaßstabes ist demnach, daß er im Einzelfall zu einem unbilligen Ergebnis führt. Gerade so verhält es sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen aber in vorliegender Sache. Die Klägerin hat Anspruch auf anderweitige Bestimmung des Umlegungsschlüssels durch die Beklagte, weil die weitere Anwendung des Flächenmaßstabes zu übermäßigen, nicht mehr hinnehmbaren Belastungen für sie führen würde (vgl. dazu auch LG Wuppertal WM 1989, 520 ff; AG Hamburg WM 1988, 171).

Ausgehend von den mit Schriftsatz der Beklagten vom 16. Januar 1991 mitgeteilten Wohnungsgrößen und Belegungszahlen reicht der Wohnflächenanteil der einzelnen Hausbewohner von 11,1 m²/Person im Fall des Mieters … (77,5 m² für sieben Personen) bis hin zu 67,74 m²/Person im Fall der Klägerin und 86,43 m²/Person im Fall der Mieterin … Die Klägerin...

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