Rz. 1027

Unter dem Gerichtsstand wird grundsätzlich die örtliche Zuständigkeit der Gerichte verstanden.[2105] Die örtliche Zuständigkeit wird durch gesetzliche Regelungen bestimmt, wobei stets auf die Person abzustellen ist, die verklagt wird. Für Zivilprozesse bestimmt § 12 ZPO, dass das Gericht, bei der eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig ist, sofern nicht ein ausschließlicher Gerichtsstand bestimmt ist. Den allgemeinen Gerichtsstand von natürlichen Personen bestimmt § 13 ZPO: sie sind am Gericht ihres Wohnsitzes zu verklagen, juristische Personen haben gemäß § 17 ZPO ihren allgemeinen Gerichtsstand an ihrem Sitz, sie sind am dortigen Gericht zu verklagen.[2106] Den gesetzlichen Regelungen des Gerichtstands liegen nicht nur Zweckmäßigkeitserwägungen zugrunde, es handelt sich vielmehr um Regelungen mit erheblichem Gerechtigkeitsgehalt, die einen wesentlichen Grundgedanken des Prozessrechts enthalten.[2107] Der Kläger kann Zeitpunkt und Art des "Angriffs" bestimmen. Dem Beklagten ist es daher nicht zuzumuten, den ihm unter Umständen aufgezwungenen Prozess unter zusätzlichen Erschwerungen an einem auswärtigen Ort führen zu müssen.[2108]

 

Rz. 1028

Vereinbarungen über den Gerichtsstand haben daher große praktische Bedeutung. Um die Interessen der Beklagten zu schützen, schränken die gesetzlichen Regelungen die Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen ein. So bestimmt § 38 Abs. 1 ZPO, dass nur Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen vorprozessual Gerichtsstandsvereinbarungen treffen können; in gleicher Weise wird die Möglichkeit zuständigkeitsbegründender Vereinbarungen über den Erfüllungsort durch § 29 Abs. 2 ZPO begrenzt. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus den Bestimmungen über die ausschließlichen Gerichtsstände, etwa § 29a (Miet- und Pachtverhältnisse über Räume), § 29c Abs. 1 S. 2 (Haustürgeschäfte) und § 689 Abs. 2 ZPO (Mahnverfahren) sowie § 26 FernUSG (Fernunterrichtsverträge) oder § 215 Abs. 1 S. 2 VVG (Versicherungsverträge). Bei internationalen Sachverhalten sind neben § 38 Abs. 2 ZPO insbesondere Art. 25 EuGVVO[2109] und auch Art. 23 des Lugano-Übereinkommens von 2007 zu beachten.

[2105] Der Sprachgebrauch der ZPO ist uneinheitlich, da in einigen Vorschriften mit dem Begriff "Gerichtsstand" auch die sachliche Zuständigkeit erfasst wird, etwa in § 40 Abs. 2 S. 1 ZPO.
[2106] Daneben existieren noch Regelungen zu den besonderen Gerichtsständen, die für jeweils bestimmte Arten von Klagen gelten (etwa §§ 2034 ZPO). Bei einem als ausschließlich bezeichneten Gerichtsstand gilt nur dieser für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit. Im Übrigen kann bei mehreren zulässigen Gerichtsständen gemäß § 35 ZPO einer ausgewählt werden.
[2107] Zöller/Vollkommer, § 12 Rn 2.
[2108] Zöller/Vollkommer, § 12 Rn 2.
[2109] VO (EU) Nr. 1215/2012 v. 12.12.2012 (ABl EU Nr. L 351 v. 20.12.2012). Art. 25 EuGVVO gilt für ab dem 10.1.2015 anhängig gemachte Verfahren. Für vor diesem Zeitpunkt eingeleitete Verfahren bleibt Art. 23 EuGVVO a.F. der VO (EU) Nr. 44/2001 anwendbar, vgl. BGH Urt. v. 15.1.2015 – I ZR 88/14, BGH NJW 2015, 2339.

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