Bei Verkehrsunfällen mit ausländischem Bezug ist immer zu unterscheiden zwischen dem anwendbaren materiellen Recht (Schadensersatzpositionen) und dem geltenden Prozessrecht (Gerichtszuständigkeit im Fall einer Klage).

Es sind folgende Konstellationen denkbar:

  • Unfall im Ausland, die Unfallbeteiligten sind Inländer:

    In Fällen dieser Art gilt ausnahmsweise nicht der Ort des Schadenseintritts, sondern deutsches Schadensrecht (BGH, Urteil v. 7.7.1992, VI ZR 1/92). Voraussetzung dafür ist, dass beide Fahrzeuge in Deutschland zugelassen und versichert sind und beide Unfallbeteiligte in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Art. 4 Abs. 2 Rom II-Verordnung verdrängt die Unfallort-Grundregel nach Art. 4 Abs. 1 Rom II-Verordnung). Bei der Unfallregulierung ist allerdings das ausländische materielle Straßenverkehrsrecht anzuwenden. Eine Einsichtnahme in die Ermittlungsakten kann über Botschaften und Konsulate erfolgen.

  • Unfall im Ausland, der Unfallgegner ist Ausländer:

    In diesen Fällen gilt das ausländische Schadensrecht sowie das ausländische materielle Straßenverkehrsrecht. Das wirkt sich insbesondere auf die möglichen Schadenspositionen aus, die im Einzelfall genau zu prüfen sind. So sind z. B. Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Geltendmachung oder Wertminderung nur selten anerkannte Schadenspositionen, dagegen wird oft die Mehrwertsteuer auch bei fiktiver Abrechnung erstattet.

    Für die Schadensregulierung ist grundsätzlich die ausländische Versicherung zuständig. Die Ansprüche sind entweder direkt bei dieser ausländischen Versicherung geltend zu machen oder bei einem deutschen Regulierungsbeauftragten dieser Versicherung. Zumindest die europäischen ausländischen Versicherungen verfügen über deutsche Regulierungsbeauftragte. Dies können entweder deutsche Versicherungsgesellschaften sein, mit denen kooperiert wird, oder gesonderte Schadenregulierer (z. B. AVUS GmbH, DEKRA Claims Services GmbH, InterEurope AG). Die Rechtsschutzversicherungen übernehmen in der Regel die Rechtsanwaltsgebühren. Wurde ein Rechtsanwalt im Ausland beauftragt, übernimmt die Rechtsschutzversicherung regelmäßig diese Kosten zzgl. der Kosten des inländischen Rechtsanwalts in Höhe der Gebühren eines Verkehrsanwalts (VV Nr. 3400 RVG). Bei der Geltendmachung von Ansprüchen im Inland beim Regulierungsbeauftragten werden die regulären Rechtsanwaltskosten übernommen. Für die Anwendung ausländischen Schadensrechts kann anstelle der Geschäftsgebühr von 1,3 (VV Nr. 2300 RVG) auch eine höhere Gebühr (z. B. 1,8) in Ansatz gebracht werden.

    Besonderheiten bestehen durch die 4. EU-Kraftfahrzeug-Haftpflichtrichtlinie (2000/26/EG v. 16.5.2000) bei einem Unfall in einem Mitgliedstaat der EU, dem EWR und der Schweiz. Diese Richtlinie schreibt den Mitgliedstaaten vor, gesetzlich zu regeln, dass der Geschädigte einen Direktanspruch gegen die Versicherung des ausländischen Unfallgegners hat. Die Richtlinie bezieht sich auf Sach- oder Personenschäden, die bei einem Unfall entstanden sind, welcher sich in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR als dem Wohnsitzmitgliedstaat des Geschädigten oder in der Schweiz ereignet hat und der durch die Nutzung eines Fahrzeugs verursacht wurde, das in einem Mitgliedstaat der EU, des EWR oder der Schweiz versichert ist und dort seinen gewöhnlichen Standort hat. Dieser Direktanspruch ist in nahezu allen betroffenen Ländern umgesetzt worden. Die Verkehrs-Rechtsschutzversicherungen übernehmen in diesem Fall auch die Rechtsanwaltskosten in Deutschland, da es nach ausländischem Schadenrecht fast immer keine Erstattungspflicht der Rechtsanwaltskosten durch die ausländische Kfz-Haftpflichtversicherung gibt. Die Ansprüche können außergerichtlich beim Regulierungsbeauftragten der Versicherung in Deutschland geltend gemacht werden. Führt eine Regulierung durch diesen Regulierungsbeauftragten nicht zum Erfolg, muss die ausländische Versicherung verklagt werden.

    Mit dem Inkrafttreten der 5. KH-Richtlinie am 12.6.2005 gilt für die gerichtliche Zuständigkeit der Wohnsitz des Geschädigten. Der EuGH hat das so entschieden, was dann zum Erlass der Richtlinie führte (EuGH, Entscheidung v. 13.12.2007, C-463/06 – Odenbreit, DAR 2008, S. 17 = zfs 2008, S. 139). Allerdings kann damit der Geschädigte lediglich den ausländischen Versicherer an seinem Wohnsitz verklagen, nicht hingegen den Schädiger (Fahrer oder Halter des Fahrzeugs).

    Für Direktklagen eines Geschädigten gegen einen EU-ausländischen Haftpflichtversicherer ist nach Art. 13 Abs. 2, Art. 11 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel 1a-VO) die Möglichkeit eröffnet, an seinem Wohnsitz zu klagen. Dabei muss der ausländische Versicherer seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates haben. Dabei genügt eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung (Art. 11 Abs. 2 Brüssel 1a-VO), jedenfalls dann, wenn diese mit dem Abschluss der Haftpflichtversicherung oder mit der Regulierung eines Schadenfalles betraut war.

    Die Klageschrift kann auc...

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