Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtswirkungen einer vorweggenommenen Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine vorweggenommene Abmahnung kann nur dann eine konkrete Abmahnung nach vorheriger Tatbegehung entbehrlich machen, wenn der Arbeitgeber diese bereits in Ansehung einer möglicherweise bevorstehenden Pflichtverletzung ausspricht, sodass die dann tatsächlich zeitnah folgende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers aus Sicht eines besonnenen Arbeitgebers als beharrliche Arbeitsverweigerung angesehen werden kann.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 07.12.2016; Aktenzeichen ö.D. 2 Ca 707 d/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.2017, Az.: ö.D. 2 Ca 707 d/16, wird insgesamt abgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren um die Wirksamkeit einer außerordentlichen und ordentlichen Kündigung sowie um einen Auflösungsantrag der Beklagten.

Der 37-jährige, verheiratete und zwei Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 07.04.2014 zuletzt als Leiter der Dienststelle in K. und F. zu einem Monatsgehalt von ca. 4.000,00 € brutto beschäftigt. Regelmäßiger Arbeitsort ist die Dienststelle K.. Der Kläger unterschrieb am 08.04.2014 die "Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Verbots der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen", die u. a. folgenden Wortlaut hat (Bl. 27 d. A.):

"Ich verpflichte mich,

dienstlich überlassende Fahrzeuge ausschließlich für dienstliche Zwecke zu nutzen. Private Fahren, d. h. Fahrten ohne dienstliche Veranlassung, sind mit Dienstfahrzeugen strengstens untersagt.

...

Ich bin darüber belehrt worden, dass ein Verstoß gegen diese Anordnung arbeitsrechtliche Folgen (Ermahnung / Abmahnung / Kündigung / o. a.) haben wird. ...

Im Rahmen von Bereitschaftsdiensten werden Privatfahrten toleriert, soweit sie die Durchführung dieses Dienstes nicht beeinträchtigen und sie untrennbar mit dem Bereitschaftsdienst einhergehen.

Näheres zum zulässigen Umfang der tolerierten Privatfahrten entnehmen Sie aus der anliegenden Übersicht "Anhaltspunkte zur Behandlung von Fahrten mit einem Dienst-/ Poolfahrzeug als Dienst-/Privatfahrt" (Doku Nr. P 39). Wir weisen Sie darauf hin, dass dieses Dokument immer wieder und fortlaufend aktualisiert wird. Die jeweilige aktuelle und gültige Fassung entnehmen Sie bitte aus dem Intranet. ..."

Am 03.03.2016 holte der Bundesfreiwilligendienstleistende B. anlässlich einer dienstlich veranlassten Fahrt mit einem Dienstfahrzeug ein privates Sakko des Klägers aus einer Reinigung in F. mit Billigung des Klägers ab. Hiervon erlangte die Beklagte am 28.04.2016 Kenntnis. Vom 18.04.2016 bis zum 30.04.2016 befand sich der Kläger in Urlaub. Am Montag, 02.05.2016, verrichtete er seinen Dienst in K.. Am Dienstag, 03.05.2016, ließ sich der Kläger von dem Auszubildenden G. morgens von seinem Wohnsitz in S. aus abholen und am Nachmittag wieder nach Hause fahren. Das Dienstfahrzeug wurde auf diese Weise viermal auf der Strecke K. - S. bewegt, sodass insgesamt eine Fahrtstrecke von etwa 112 km zurückgelegt wurde. Es ist streitig, ob der Kläger den Zeugen G. bereits telefonisch am 28.05.2016 anwies ihn abzuholen oder erst im Laufe des 02.05.2016. Hiervon erlangte die Beklagte am 04.05.2016 Kenntnis. Mit Schreiben vom 09.05.2016 hörte die Beklagte die Mitarbeitervertretung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers an (Bl. 22 ff. d. A.). Am 10.05.2016 stimmte die Mitarbeitervertretung der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung zu (Bl. 22 f. d. A.). Mit Schreiben vom 11.05.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos mit sofortiger Wirkung (Bl. 12 d. A.). Mit Schreiben vom 19.05.2016 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis hilfsweise erneut ordentlich zum 30.06.2016.

Der Kläger hat vorgetragen,

er habe das Sakko am 03.03.2016 selbst auf dem Rückweg von der Dienststelle in F. nach K. im C.-Park F. abholen und deshalb auch früher aufbrechen wollen. Die stellvertretende Dienststellenleiterin P. habe deshalb vorgeschlagen, dass der Zeuge B. das Sakko auf dessen Rückweg von einem Termin abholen könne, da es sowohl räumlich als auch zeitlich passen würde. Dem habe er, der Kläger, zugestimmt und habe somit bis ca. 16.00 Uhr in der Dienststelle bleiben und dort arbeiten können, ohne frühzeitiger losfahren müssen. Nach Urlaubsrückkehr Ende April 2016 sei sein Auto defekt gewesen, sodass er bereits am 02.05.2016 mit dem defekten Auto zum Dienst gefahren sei. Da aufgrund seines zweiwöchigen Urlaubs eine Menge Arbeit liegen geblieben, seine Ehefrau mit dem Zweitwagen in der Schweiz gewesen sei und er, der Kläger, bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel erst um 11:45 Uhr am Hauptbahnhof gewesen wäre und er zudem auch noch Rufbereitschaft gehabt habe, habe er den Auszubildenden ausnahmsweise beauftragt, ihn am 03.05.2016 aus S. abzuholen ...

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