Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es stellt eine erhebliche Verletzung von arbeitsvertraglichen Pflichten dar, wenn ein Arbeitnehmer sein Dienstfahrzeug unbefugt für private Fahrten zwischen Wohnung und Dienststelle benutzt. Dies rechtfertigt ohne vorangegangene Abmahnung jedoch nicht die verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

2. Die Erfolgsaussicht einer Abmahnung lässt sich nicht mit dem Argument verneinen, dass der Arbeitnehmer durch die Abmahnung eines Arbeitskollegen ausreichend gewarnt worden sei.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 15.03.2017; Aktenzeichen 1 Ca 1153/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15. März 2017, Az. 1 Ca 1153/16, wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens, Az. 2 AZN 201/17, zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten - nach teilweiser Zurückverweisung noch - über die Wirksamkeit einer umgedeuteten ordentlichen Kündigung.

Die 1976 geborene, geschiedene Klägerin ist gegenüber einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Sie ist seit dem 16.05.2014 bei den US-Streitkräften als Sachbearbeiterin im Transportwesen mit Dienstort in L. (L. Regional Medical Center) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) Anwendung. Das monatliche Gehalt der Klägerin nach Gehaltsgruppe C 5A/4 beträgt € 2.891,20 brutto.

Die US-Streitkräfte kündigten das Arbeitsverhältnis mit einem Schreiben ohne Datum, das der Klägerin am 28.09.2016 zugegangenen ist, außerordentlich zum 30.09.2016. Die Kündigung wird darauf gestützt, dass die Klägerin Dienstfahrzeuge der US-Streitkräfte unerlaubt privat genutzt und in diesem Zusammenhang auch falsche Eintragungen in das Fahrtenbuch vorgenommen habe. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 04.10.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Die Klägerin wohnt gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen H., in A-Stadt. Der Lebensgefährte der Klägerin ist ebenfalls bei den US-Streitkräften beschäftigt. Sein Dienstort befindet sich in der Z.-Kaserne in B-Stadt. Die kürzeste Entfernung zwischen dem Dienstort der Klägerin in L. und ihrem Wohnort beträgt 85 Straßenkilometer. Aufgrund eines anonymen Hinweises erlangten die US-Streitkräfte Kenntnis darüber, dass die Klägerin die Dienstfahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen XX-XX 000 (Ford Mondeo) und XX-XX 000 (Ford Focus) wiederholt für Hin- und Rückfahrten zwischen ihrer Wohnung und ihrem Dienstort benutzt hat. In das Fahrtenbuch trug die Klägerin diese Fahrten nicht ein, sondern gab statt ihres Wohnortes falsche Zielorte an. Zum Betanken der Fahrzeuge nutzte sie die Tankkarte der US-Streitkräfte.

Die Klägerin wurde zu den Kündigungsvorwürfen am 19.09.2016 angehört. Die Betriebsvertretung wurde am 21.09.2016 beteiligt. Der Dienststellenleiter beantragte die Zustimmung zu einer außerordentlichen, hilfsweise zu einer ordentlichen Kündigung zum nächstmöglichen Termin. Die Betriebsvertretung hat der Kündigung am 23.09.2016 zugestimmt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich zu ihrer Entlastung vorgetragen, sie sei lediglich Anordnungen bzw. Weisungen ihrer direkten Vorgesetzten nachgekommen. Ihre Vorgesetzten R. und I. hätten beabsichtigt, nach Auflösung der Einheit WTBE in der Z.-Kaserne Mitte 2016 möglichst viele Dienstfahrzeuge im Fahrzeugpool zu behalten. Dazu sei es wichtig gewesen, die Dienstfahrzeuge eine gewisse Mindestanzahl an Kilometern bzw. Meilen zu nutzen. Ihr Vorgesetzter R. habe ihr am 31.05.2016 ihren Dienstwagen übergeben und erklärt, dass "Meilen drauf müssten". Sie habe R. bei der Fahrzeugübergabe, die in Anwesenheit ihres Lebensgefährten H. erfolgt sei, mit dem sie eine Fahrgemeinschaft bilde, ein paarmal gefragt, ob dies überhaupt genehmigt sei, ob ein prozentualer Anteil von ihrem Gehalt abgezogen und ob die Gestellung des Fahrzeugs in ihrer Lohnabrechnung erscheinen werde, weil sie mit dem Fahrzeug dann nach Hause fahren werde. Genau dies habe R. quasi von ihr verlangt. Er habe ihr erklärt, dass dies genehmigt sei, ihr werde vom Gehalt nichts abgezogen, sie müsse immer einsatzbereit sein. Obwohl sie angeboten habe, den Sprit selbst zu zahlen, habe R. erklärt, sie solle auf die Karte tanken. Sie solle die Heimfahrten nach der "Vendors-List" (einer Liste mit Werkstätten) ausfüllen, damit im Fahrtenbuch ihr Wohnort nicht auftauche. Außerdem habe ihr R. erklärt, dass sie nicht vor ihrem Wohnhaus parken solle, sondern um die Ecke, er selbst würde dies auch so machen. Sie habe den Vorfall eines Kollegen angesprochen, der "dies genauso praktiziert" habe und dann abgemahnt worden sei. Deswegen habe sie R. nochmals erklärt, dass sie in dieser Sache keinen Ärger haben wolle...

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