Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit von Arbeitseitregelungen in einer Betriebsvereinbarung. Tarifvorbehalt. Verzicht auf Mitbestimmungsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Es ist zulässig, in einer Betriebsvereinbarung den Arbeitgeber zu ermächtigen, vorläufig und kurzfristig einseitig Überstunden anzuordnen, wenn es sich dabei nur um den Teil einer Verfahrensregelung für außergewöhnliche Fälle handelt und sofern dadurch das Mitbestimmungsrecht nicht in seiner Substanz beeinträchtigt wird. Hingegen sind weder die Betriebspartner noch die Tarifvertragsparteien in der Lage, den Arbeitgeber pauschal zur Anordnung von Überstunden zu ermächtigen.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1, § 77 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 06.06.2001; Aktenzeichen 4 Ca 243 b/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.06.2003; Aktenzeichen 1 AZR 349/02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.06.2001 – 4 Ca 243 b/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Ableistung von Überstunden im Rahmen sog. Flexi- bzw. Sonntagsschichten auf der Grundlage der Rahmenbetriebsvereinbarung.

Der am 09.02.1952 geborene Kläger ist seit Dezember 1966 bei der Beklagten als Tiefdrucker zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst in Höhe von DM 7.000,00 (EURO 3.579,04) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft eines Firmentarifvertrages u. a. der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 06.02.1997 sowie die diesen ergänzenden Tarifverträge Anwendung.

Die Beklagte schloss mit dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat am 03.04.2000 eine „Rahmenbetriebsvereinbarung zum Reinvestitionsprojekt” in der Druckerei I… (Abl. der Betriebsvereinbarung Bl. 6 – 13 d. A.). In der Einleitung zur Rahmenbetriebsvereinbarung haben die Betriebsparteien folgendes erklärt:

„Zwischen den Parteien dieser Vereinbarung besteht Einigkeit darüber, daß zum Zwecke der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Druckerei G… Druck I… (nachfolgend „Betrieb”) und damit zum Zwecke der Zukunftssicherung des Standortes I… gemeinsame Maßnahmen von Unternehmen und Belegschaft nötig sind. Diese Maßnahmen betreffen nicht nur die Modernisierung des Maschinenparks, sondern auch die Senkung von Personalkosten. Nach Abschluß der zu diesem Zweck abzuschließenden betrieblichen Vereinbarungen wird das Unternehmen sein Technikkonzept (nachfolgend „Investitionen”) umsetzen.”

In II. (Arbeitszeit und Arbeitszeitflexibilisierung) der Rahmenbetriebsvereinbarung haben die Betriebsparteien in Ziff. 1 für die Bereiche Formherstellung, Fortdruck, T + L und Betriebstechnik Regelungen unter a) „3 Flexi-Schichten als Überstunden” und unter b) „6 Sonntagsschichten als Überstunden” vereinbart. Danach hat das Unternehmen das Recht zusätzlich zur jeweils tariflich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit drei sog. Flexi-Schichten pro Kalenderjahr von jedem/jeder vierschichtig arbeitenden Mitarbeiter/in zum Abruf als Überstunden in bestimmten Freiwochen (sog. Bereitschaftsfreiwochen) abzufordern. Diese Flexi-Schichten werden auf einem einzurichtenden Flexi-Konto des/der Mitarbeiters/in zeitlich geführt und abgerechnet. In den Bereitschaftsfreiwochen besteht für den/die Mitarbeiterin Rufbereitschaft. Die Flexi-Schichten werden spätestens am Donnerstag vor der Bereitschaftsfreiwoche abgerufen. Die Rahmenbetriebsvereinbarung sieht im Übrigen vor, dass der Mitarbeiter für geleistete Flexi-Schichten entweder Freizeitausgleichstage im Verlauf des Jahres verlangen kann; diese werden mit dem Faktor 1,5 berechnet; zusätzlich werden die angefallenen Überstundenzuschläge bezahlt. Der Arbeitnehmer kann aber auch erklären, dass er/sie die Flexi-Schichten als Überstunden bezahlt bekommen möchte.

Hinsichtlich der sechs Sonntagsschichten ist geregelt, dass am Ende des Vorjahres im Zusammenhang mit der Urlaubsplanung jeder/jede vierschichtig arbeitende Mitarbeiter/in in Abstimmung mit der Abteilungsleitung mindestens vier, höchstens jedoch 10 Sonntage über das Kalenderjahr in einen vom Unternehmen vorgefertigten Arbeitszeitverteilungsplan einträgt, aus dem hervorgehen muss, an welchen Sonntagen wie viele Mitarbeiter/innen voraussichtlich benötigt werden. Die Eintragung gilt als Einverständniserklärung des/der Mitarbeiters/in zur Ableistung der eingetragenen Sonntagsschicht. Die Abforderung erfolgt durch das Unternehmen. Bis zu drei Sonntagsschichten kann das Unternehmen als Frühschichten einteilen, die übrigen als Nachtschichten. Für diese Frühschichten wird ein übertariflicher Zuschlag von 45 % brutto eines Stundenlohnes pro Stunde zusätzlich gezahlt. Von dem/der Mitarbeiter/in zur Verfügung gestellte, nicht abgenommene Flexi-Schichten verfallen am Ende des Kalenderjahres.

Nach II. 1. c) der Betriebsvereinbarung ist der Arbeitgeber für den Fall, dass nicht genügend freiwillige Mitarbeiter zur Verf...

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