Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitbeschäftigte. betriebliche Zusatzversorgung. Deutsche Bundespost. Gleichheitssatz. Grundrechtsbindung. Verjährung. übermäßige finanzielle Belastung

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 3 lit. c VersorgungsTV der Deutschen Bundespost in der bis zum 31.03.1991 geltenden Fassung ist zumindest insoweit wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nichtig, als er Teilzeitbeschäftigte von der Versicherung bei der VAP ausschließt, die nicht nur im Sinne des Art. 8 Abs. 1 SGB IV geringfügig beschäftigt sind, aber eine arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche Wochenarbeitszeit von weniger als 18 Stunden aufweisen.

2. Die Verpflichtung eines Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer rückwirkend eine Altersversorgung zu verschaffen, besteht allerdings dann nicht, wenn die Aufwendungen hierfür von dem Unternehmen nicht erwirtschaftet werden können oder gar seine Existenz ernstlich in Frage gestellt wird – BVerfG AP Nr. 15 zu Art. 20 GG –.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; Tarifvertrag für Arbeiter der Deutschen Bundespost § 24; VersorgungsTV der Deutschen Bundespost § 3; BeschFG § 6 Abs. 1; BGB § 196 Abs. 1 Nr. 9

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 07.12.1993; Aktenzeichen 1c Ca 1206/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.09.1996; Aktenzeichen 3 AZR 72/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.1993 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin so zu stellen, als ob diese in der Zeit vom 25.07.1988 bis einschließlich 31.03.1991 bei der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (im folgenden VAP) versichert gewesen wäre.

Die am 12.04.1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 25.07.1988 beschäftigt. In der Zeit von 1988 bis März 1991 lag die Arbeitszeit der Klägerin unterhalb von 18 Stunden wöchentlich; die Vergütung war regelmäßig oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost anzuwenden. Gemäß § 24 TV Arb sind Arbeiter bei der Versicherungsanstalt der Deutschen Bundespost nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages in seiner jeweiligen Fassung zu versichern. § 3 c VersorgungsTV in seiner bis zum 01.04.1991 gültigen Fassung bestimmt:

Der Arbeitnehmer ist bei der VAP nach Maßgabe der Satzung und ihrer Ausführungsbestimmungen zu versichern, wenn seine arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche Wochenarbeitszeit mindestens 18 Stunden beträgt.

Diese Regelung ist zum 01.04.1991 dahingehend geändert worden, daß die Arbeitnehmer bei der VAP zu versichern sind, wenn sie in einem Arbeitsverhältnis stehen, bei dem sie nicht nur geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV beschäftigt sind.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Die Beklagte sei verpflichtet, sie auch für die Zeit vor dem 01.04.1991 so zu stellen, als ob sie bereits damals bei der VAP versichert gewesen wäre.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin so zu stellen, als ob sie in der Zeit vom 25.07.1988 bis einschließlich 31. März 1991 bei der VAP versichert gewesen wäre.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Eine Nachversicherung der noch nicht versicherten Teilzeitkräfte sei aus finanziellen Gründen nur schwer möglich. In welchem Umfang dadurch Kosten entstehen würden, könne zur Zeit nur grob geschätzt werden, dabei ergebe sich eine Gesamtverpflichtung zum 31.12.1992 in Höhe von 1,708 Mrd. DM. Diese übermäßige Kostenbelastung sei der Beklagten nicht zuzumuten.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 07.12.1993 nebst dessen Verweisungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Feststellungsbegehren der Klägerin mit der Begründung entsprochen, daß der Anspruch der Klägerin sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergebe, dieser verwehre es dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage aus sachfremden Gründen schlechter zu stellen sowie zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung ohne sachliche Rechtfertigung zu differenzieren. Dieser arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der Ausfluß des Art. 3 Abs. 1 GG sei, habe eine Konkretisierung in § 2 Abs. 1 BeschFG gefunden, das zum 01.05.1985 in Kraft getreten sei. Vorliegend sei eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Vergleich zu vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern und Teilzeitarbeitnehmern mit längeren Arbeitszeiten erfolgt; diese Ungleichbehandlung habe die Klägerin dadurch schlechter gestellt, daß ihre tariflichen Versorgungsansprüche beschnitten seien. Die Ungleichbehandlung sei gerade wegen der Teilzeitarbeit erfolgt. Für den Ausschluß von der Zusatzversorgung bestehe kein sachlich rechtfertigender Grund. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und auch des Bundesverfassungsgerichts müßten tarifliche Regelungen dem a...

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