Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaub. eigenmächtig. Erkundigungspflicht. Arbeitnehmer Urlaubsantrag. betrieblich. Übung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eigenmächtiger Urlaubsantritt berechtigt regelmäßig nicht nur zur ordentlichen, sondern auch zur außerordentlichen Kündigung, wenn der Arbeitnehmer trotz Urlaubsverweigerung seitens des Arbeitgebers den Urlaub gleichwohl antritt.

2. Besteht eine betriebliche Übung zur Erkundigungspflicht des Arbeitnehmers bzgl. der Gewährung des Urlaubs und ist der Arbeitnehmer bei Antragstellung auf diese ergebnislos mehrfach hingewiesen worden, so kann im eigenmächtigen Antritt des Urlaubs gleichfalls ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund i. S. v. § 1 KSchG liegen. Eine erhebliche Verletzung der Arbeitnehmerpflicht liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub antritt, ohne die Entscheidung des Arbeitgebers über seinen Urlaubsantrag eingeholt zu haben.

Es ist Sache des Arbeitnehmers, hat der Arbeitgeber über den Urlaubsantrag noch nicht entschieden, diesen zur Abgabe einer Entscheidung aufzufordern.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; BUrlG § 7 I

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 18.07.1996; Aktenzeichen 2 Ca 1421/96)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 18. Juli 1996 – 2 Ca 1421/96 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts.

Der Kläger wurde am 05.10.1995 bei der Beklagten, einem Abbruchunternehmen mit ca. zwölf Mitarbeitern, als Betriebsschlosser eingestellt. Nach einer Beschäftigungszeit von rund fünf Monaten beantragte er schriftlich bei der Beklagten Erholungsurlaub für die Zeit vom 09.04.1996 bis 19.04.1996. Der Kläger erhielt von der Beklagten keine Benachrichtigung, ob ihm der Urlaub gewährt werde, er erkundigte sich auch nicht danach, ob er in Urlaub gehen könne und erschien vom 9. April 1996 an und in der Folgezeit nicht mehr zur Arbeit. Ob bei der Beklagten eine betriebliche Übung besteht, daß der jeweils den Urlaub beantragende Arbeitnehmer sich nach der Gewährung des Urlaubs zu erkundigen habe und ob der Kläger mehrfach ausdrücklich darauf hingewiesen worden sei, sich beim Geschäftsführer nach der Gewährung des Urlaubs zu erkundigen, ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 9. April 1996 das Arbeitsverhältnis wegen eigenmächtigen Urlaubsantritts zum 15. Mai 1996.

Der Kläger hat die Kündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten und mit seiner am 29. April 1996 bei dem Arbeitsgericht Kiel eingereichten Klage beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 9. April 1996 zum 15. Mai 1996 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und seine Verweisungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat nach Klagantrag erkannt, da die Beklagte sich widersprüchlich verhalte, indem sie von ihren Arbeitnehmern verlange, daß diese einen Urlaubsantrag ausfüllten und dann verlange, es sei Aufgabe des Arbeitnehmers, vor Urlaubsantritt zu fragen, ob der Urlaub auch bewilligt werde. Das Bescheiden von erforderlichen Anträgen gehöre überall im Rechtsleben zu den üblichen Gepflogenheiten. Auf eine betriebliche Übung, daß der Arbeitnehmer verpflichtet sei, beim Arbeitgeber nachzufragen, ob der beantragte Urlaub gewährt werde oder nicht, könne sich die Beklagte nicht stützen, da sie nicht substantiiert unter Beweisantritt dargelegt habe, daß sie den Kläger auf diese betriebliche Übung ausdrücklich hingewiesen habe. Im übrigen wäre die ausgesprochene Kündigung auch unverhältnismäßig, da es sich hier nicht um den typischen Fall eigenmächtigen Urlaubsantritts handele.

Wegen der Entscheidungsgründe im übrigen wird auf die der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Gegen das ihr am 1. Oktober 1996 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts richtet sich die am 30. Oktober 1996 eingelegte und – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Dezember 1996 – am 13. Dezember 1996 begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte behauptet wiederum, daß im Betrieb eine ständige betriebliche Übung bestehe, wonach ein Mitarbeiter, der seinen Urlaubsantrag eingereicht habe, auf diesen Urlaubsantrag keine Rückäußerung von der Beklagten erfahre, sondern seinerseits verpflichtet sei, bei der Geschäftsleitung nachzufragen, ob ihm der Urlaub in der beantragten Zeit gewährt werde oder nicht. Dem Kläger sei diese betriebliche Übung bekannt gewesen, denn die Mitarbeiter seien bei Beginn ihrer Tätigkeit oder spätestens bei Beantragung des Urlaubs darauf hingewiesen worden. Dies sei auch beim Kläger geschehen. Dem Kläger sei im Hinblick auf den betreffenden Urlaubsantrag von seinem Kollegen H. geraten worden, den Urlaubsantrag direkt auf den Schreibtisch des Geschäftsführer R. zu legen. Als der Kläger zu d...

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