Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadenersatz nach Diebstahl von Arbeitgebereigentum. Verwertungsverbot

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Werden mittels heimlicher Videoüberwachung angefertigte Videoaufnahmen in dem angefochtenen Urteil nicht verwertet, kommt es nicht darauf an, ob die verdeckte Videoüberwachung rechtmäßig oder rechtswidrig war. In der Betrachtung muss getrennt werden zwischen der Erlangung einer Information oder eines Beweismittels und dessen Verwertung.

2. Nach einem bewiesenen Diebstahl schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Schadenersatz. Dessen Höhe kann ggf. vom Gericht gem. § 287 ZPO geschätzt werden.

 

Normenkette

BGB §§ 280, 823

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Urteil vom 05.05.2011; Aktenzeichen 4 Ca 3148/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 05.05.2011 – 4 Ca 3148/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Schadensersatz anlässlich des Diebstahls von Arbeitgebereigentum.

Der Beklagte war bis zum 28.02.2008 bei der Klägerin angestellt. Die Parteien beendeten das Arbeitsverhältnis am 28.02.2008 einvernehmlich mit sofortiger Wirkung.

Der Beklagte war zuletzt mit der Herstellung von Gasmessgeräten im Werk 3 der Klägerin, Haus 5 befasst. Hierfür verarbeitete er u. a. speziell für die Klägerin angefertigte platinhaltige PT-Drähte, PT-Netze, PT-Pulver, aber auch Sensoren, Leiterplatten und Thermodraht. Bei den PT-Drähten und PT-Netzen handelt es sich um eine nicht allgemein auf dem Markt befindliche Spezialanfertigung für die Klägerin mit einem ungewöhnlich hohen Platingehalt von 99,9 %.

Das genannte Platinmaterial wird im Lager des Hauses 5 und dort in einem Schrank aufbewahrt. Der Beklagte musste sich das von ihm zu verarbeitende Material üblicherweise von Lagermitarbeitern herausgeben lassen. Nur in Ausnahmefällen durften sich Mitarbeiter aus dem Lager selbst Material holen. Das war z. B. der Fall, wenn in den Abendstunden noch bereits begonnene Aufträge beendet wurden, während die Lagermitarbeiter bereits Feierabend hatten.

Die Platinnetze sind etwa postkartengroß. Bei den platinhaltigen PT-Drähten handelt es sich um auf Rollen gewickelte Drähte von 70 bis 209 m Länge, die wie dünnes Nähgarn aufgespult sind. Diese Drähte sind dünner als menschliches Haar. Bei der PT-Wolle handelt es sich um zusammengeknüllt aufbewahrte Drähte. PT-Pulver befindet sich in 1-kg-Dosen. Reste werden nicht an Mitarbeiter ausgegeben, vielmehr durch die Klägerin selbst verwertet.

Ende 2006 sah sich die Klägerin mit auffallender Zunahme des „Verbrauchs” von dem o.g. platinhaltigem Material konfrontiert, der ausweislich der bearbeiteten Aufträge nicht auf Verarbeitung und nicht auf abfallende Reste etc. zurückgeführt werden konnte. Die Klägerin stellte vielmehr erhebliche Fehlbestände fest, die als Verlust ausgebucht wurden. Um die Ursache der Fehlbestände herauszufinden, erhöhte sie Schritt für Schritt die Anzahl der Inventuren, bis hin letztendlich zu abendlichen und anschließenden morgendlichen Bestandsaufnahmen. Nach ihren – vom Beklagten bestrittenen – Bestandsberechnungen soll es zwischen dem 20.12.2006 bis zum Buchungsdatum 05.03.2008 zu nicht erklärbaren Mindermengen von platinhaltigen PT-Drähten und PT-Netzen im Wert von insgesamt 87.047,40 EUR gekommen sein (Anlage K 1 – Blatt 9 d. A.). Nachdem die Klägerin durch die engmaschigen Bestandsaufnahmen meinte festzustellen zu können, dass die Verluste vorrangig im Lager des Hauses 5 und im Arbeitsbereich um das Lager herum, meistens nachts entstehen, einigte sie sich mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat im Dezember 2007 darauf, dort eine verdeckte Videoüberwachung durchzuführen. Am 03.12.2007 installierte die Firma W. und K. N. L. GmbH (W…) dort eine Videokamera, nachdem zuvor nochmals eine Inventur durchgeführt worden war. Ausgelöst durch erneute hohe Fehlbestände werteten Mitarbeiter der Klägerin und der Firma W. sowie Mitglieder des Betriebsrates am 28.02.2008 Videoaufzeichnungen der Überwachungskamera aus. Da man glaubte, den Beklagten zu sehen, wie er platinhaltiges Material an sich nahm, wurde er unter Präsentation des Videobandes am 28.02.2008 unverzüglich angehört. Der Beklagte bat daraufhin um ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden der Klägerin, dem erstinstanzlichen Zeugen G…, das sofort geführt wurde. Nach diesem Gespräch äußerte er sich auch vor allen anderen Teilnehmern des Anhörungsgespräches zu den Vorwürfen und dem Verbleib des an sich genommenen Materials. Dann willigte er in die fristlose Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ein.

Der Beklagte unterhielt geschäftliche Kontakte zur Firma E.-S. GmbH & Co. KG in R.. Im Zeitraum vom 04.01.2006 bis 24.04.2008 erteilte die E.-S. GmbH & Co. KG dem Beklagten insgesamt 69 Gutschriften für übermitteltes Scheidgut, das Edelmetall enthielt (Anlagenkonvolut K ...

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