Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsgewährung durch eindeutige Freistellungserklärung des Arbeitgebers. Urlaubserfüllung durch unwiderrufliche bezahlte Freistellung von der Arbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Urlaubsgewährung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Freistellungserklärung zu dem Zweck, Erholungsurlaub zu gewähren, abgibt. Es muss für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbar sein, dass mit der Freistellungserklärung eine Befreiung von der Arbeitspflicht zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs eintritt.

2. Ein Urlaubsanspruch kann durch unwiderrufliche bezahlte Freistellung von der Arbeit erfüllt werden. Dies gilt auch für den Fall der Urlaubserteilung ohne vorherige Auszahlung des Urlaubsentgelts, wenn nicht zu besorgen ist, dass der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt nicht zahlen würde.

 

Normenkette

BGB § 362 Abs. 1, § 611 Abs. 1; BUrlG §§ 1, 7 Abs. 4, § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 21.09.2017; Aktenzeichen 1 Ca 933 c/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.08.2019; Aktenzeichen 9 AZR 468/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 21.09.2017, Az.: 1 Ca 933 c/17, wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

Die 58-jährige Klägerin war bei der Beklagten zu 1) bzw. deren Rechtsvorgängerin vom 01.06.2015 bis zum 31.05.2017 als examinierte Altenpflegerin zu einem Monatsgehalt von zuletzt 2.450,00 € brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36,5 Stunden und einer 5-Tage-Woche beschäftigt. Arbeitsvertraglich stand der Klägerin ein Jahresurlaub von 28 Werktagen zu. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung der Klägerin vom 24.04.2017 zum 31.05.2017. Während eines mit der Klägerin geführten Telefonats erklärte der Beklagte zu 2) am 27.04.2017, dass die Klägerin nicht wiederzukommen brauche, sie, die Klägerin, sei auf dem kommenden Dienstplan nicht eingeteilt. Dies bestätigte die Beklage zu 1) der Klägerin nochmals mit Schreiben vom 02.05.2017, in welchem es u. a. heißt (Bl. 16 d. A.):

"... Wir werden Sie im Mai nicht planen. Stattdessen stellen wir Sie unter Anrechnung Ihrer Überstunden und Urlaubsansprüche unwiderruflich frei. Den sich ergebenden Saldo Ihres Arbeitszeitkontos werden wir anschließend mit Ihrem Maigehalt verrechnen. ..."

Eine Auszahlung des Urlaubsentgeltes durch die Beklagte zu 1) erfolgte vor Beginn der Freistellung nicht.

Die Klägerin hat am 09.06.2017 beim Arbeitsgericht Zahlungsklage erhoben und unter anderem von der Beklagten Abgeltung für 24 Urlaubstage in Höhe von 2.713,92 € brutto beansprucht.

Die Klägerin hat behauptet,

die Beklagte habe ihr auf ihren Urlaubsanspruch 2016 lediglich 10 Tage Urlaub gewährt und zwar für folgende Zeiten:

30.05.2016 - 05.06.2016

5 Urlaubstage

12.12.2016 - 18.12.2016

5 Urlaubstage

Die Beklagte habe ihr unter Berufung auf betriebliche Gründe die Gewährung der restlichen 14 Urlaubstage für 2016 verweigert. Der Zeuge St., der Sohn der Beklagten zu 2), habe ihr stattdessen versprochen, dass sie den Resturlaub 2016 im nächsten Jahr nehmen könne. Ungeachtet dessen sei der Arbeitgeber verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitnehmer im jeweiligen Urlaubszeitraum seinen Urlaub auch ohne entsprechenden Urlaubsantrag in Anspruch nehme. Verletze der Arbeitgeber diese Pflicht, mache er sich schadensersatzpflichtig. Da die Klägerin unstreitig in 2017 keinen Urlaub genommen habe, sei der anteilige Urlaubanspruch 2017 von unstreitig 10 Tagen abzugelten. Eine Verrechnung dieser Urlaubstage mit der von der Beklagten ausgesprochenen Freistellungserklärung sei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht möglich.

Wegen des weiteren, insbesondere streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie deren erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.09.2017 der Zahlungsklage nur teilweise stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Soweit in der Berufungsinstanz noch relevant, hat es ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 24 Tage in Höhe von insgesamt 2.713,92 brutto habe. Entgegen der Auffassung der Klägerin stünde ihr aufgrund der vereinbarten 5-Tage-Woche nur ein vertraglicher Jahresurlaub von 23 Arbeitstagen zu. Nach ihrem eigenen Vortrag habe die Klägerin in 2016 insgesamt 14 Tage Urlaub genommen. Es könne indessen sowohl dahingestellt bleiben, ob für 2016 noch ein Resturlaub von vier oder neun Urlaubstagen offen gewesen sei, als auch die strittige Frage, ob die Klägerin diesen Resturlaub aus betrieblichen Gründen in 2016 nicht habe nehmen können. Denn die Beklagte habe diese Urlaubsansprüche zusammen mit dem anteiligen Urlaub 2017 in Höhe von 10 Tagen jedenfalls durch Freistellung der Klägeri...

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