Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete Entschädigungsklage eines ohne Vorstellungsgespräch abgelehnten Stellenbewerbers wegen Altersbenachteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Allein das Bestehen eines Altersunterschiedes zwischen zwei Bewerbern stellt prinzipiell kein hinreichendes Indiz dar, das eine ungünstigere Behandlung wegen eines verbotenen Merkmals im Sinne der §§ 1,3 Abs. 1, § 7 Abs. 1, § 22 AGG vermuten lässt.

2. Ist abgesehen vom Diskriminierungsmerkmal im Sinne des § 1 AGG aufgrund von konkreten Tatsachen Raum für eine andere subjektive Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, kann ohne weitere Indizien nicht davon ausgegangen werden, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung gegeben ist.

3. Um die Vermutung einer diskriminierenden Behandlung mit den Folgen der Beweislastumkehr nach § 22 AGG auslösen zu können, muss in einem sog. Testing-Verfahren (hier fiktive Bewerbung) neben objektiv größtmöglicher Vergleichbarkeit der Testpersonen auch die zugrundeliegende Situation mit dem Ausgangsfall vergleichbar sein und die Wahrscheinlichkeit bestehen, dass die Auswahlentscheidung nicht von zwischenmenschlichen Aspekten oder vom Zufall abhängt. Die objektive Vergleichbarkeit richtet sich nach den Üblichkeiten des Arbeitslebens oder der Verkehrsauffassung.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 3 Abs. 1, § 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 22

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Entscheidung vom 24.10.2013; Aktenzeichen 2 Ca 631 d/13)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24.10.2013 - 2 Ca 631 d/13 wird zurückgewiesen.
  2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 24.10.2013 - 2 Ca 631 d/13 - abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen) trägt der Kläger.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Entschädigungsanspruch, den der Kläger geltend macht, weil er sich wegen seines Alters bei einer Bewerbung benachteiligt sieht.

Die Beklagte beschäftigt rund 57 Mitarbeiter, davon ca. 20 Service-Techniker bundesweit, davon 10 Service-Techniker im Innendienst am Firmensitz in S.... Sie produziert für den weltweiten Verkauf Gamma-Kamera- und PET-Anlagen für den gesamten nuklear- medizinischen Bedarf der nuklear-medizinischen Diagnostik. Sie konstruiert und baut Großgeräte der Medizintechnik. Dazu kauft sie gebrauchte Geräte und setzt sie zu einem "neuen Gerät" wieder zusammen. Daneben führt sie die Ersteinweisung der Kunden vor Ort, den Einbau von Upgrades beim Kunden und die Wartung der Geräte vor Ort durch ihre Service-Techniker einschließlich der Service-Techniker im Innendienst durch. Die Service-Techniker im Innendienst haben zudem den Telefon-Support für die Kunden durchzuführen.

Die Beklagte hatte 2012 und 2013 aus Anlass eines akuten Bedarfs für mehr als 24 Monate eine Daueranzeige: Darin heißt es u.a.:

Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir für unseren Produktionsstandort S... (Nähe H...) eine/n

Servicetechniker bzw. Serviceingenieur (m/w) im Innendienst

Ihre Aufgaben:

- Aufarbeitung und Reparatur von elektronischen und elektromechanischen Baugruppen

- Kalibrierung unserer Gamma-Kamera und PET-Systeme

- Telefonsupport für unsere Kunden

Sie bringen mit:

- Eine Ausbildung zum staatl. Geprüften Elektronik-Techniker, einen Abschluss zum Diplom-Ingenieur oder eine ähnliche Berufsausbildung

- Kenntnisse und Erfahrungen mit elektronischen Bauteilen (Verstärker etc.)

- Spaß an der Reparatur elektronischer Geräte und am Umgang mit den Kunden

- Teamfähigkeit und leistungsorientiertes Denken und Handeln.

..... (Anlage B2, Bl. 17 d. A.).

Der Kläger ist am 01.09.1962 geboren. Damals 50 Jahre alt, bewarb er sich mit Schreiben vom 07.01.2013 auf diese Stellenanzeige. Belegt durch Zeugnisse stellte er seinen beruflichen Werdegang u.a. auszugsweise wie folgt dar:

09.11. bis 11.12 Aufstiegsstudium zum "geprüften Technischen Betriebswirt/IHK

05.96 bis 03.11 Sparkasse S..., als Service-Techniker im IT-Referat ...

Aufgabenschwerpunkte:

Einrichten und Betreuung der internen IT vor Ort ....

ab 2009 als Haustechniker im Unternehmensservice

Aufgabenschwerpunkte:

Eigenständige Betreuung und Wartung der gesamten Haustechnik ...

02.90 bis 04.96 Fa. I...-Nord als IT-Tecnniker

Aufgabenschwerpunkte:

Wartung, Einrichten und Reparatur von Kundenanlagen

08.89 bis 01.90 Zusatzkurs Fachhochschulreife

08.87 bis 07.89 Ausbildung zum Staatl. Geprüften Techniker

08.85 bis 07.87 Arbeitnehmer bei der Fa. H... als Informationselektroniker

07.84 bis 08.85 Angestellt bei der Fa. Max. als Elektroniker

04.83 bis 06.84 Grundwehrdienst

09.97 bis 01.83 Ausbildung zum Informationselektroniker bei der D...

0873 bis 07.79 IGS N..., Hauptschulabschluss

Hinsichtlich der Einzelheiten des Bewerbungsschreibens und der Bewerbungsunterlagen wird auf die Anl. K 1 (Bl. 27 ff der Akte) Bezug genommen.

Zuvor hatte der Kläger am 06.01.2013 eine fingierte Bewerbung eines fiktiven 32-jährigen Kandi...

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