Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersbenachteiligung bei der Stellenbewerbung. Widerlegung des Verdachts einer Benachteiligungsabsicht durch Ausschreibung einer Stelle für "junges, engagiertes Team" durch Anzeichen auf fehlenden Wettbewerb zwischen älteren und jüngeren Beschäftigten

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Gesichtspunkten, die den durch die Verwendung der Formulierung "junges, engagiertes Team" in einer Stellenausschreibung aufgekommenen Verdacht einer beabsichtigten Schlechterbehandlung von Bewerbern aus den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts gerade wegen des Alters widerlegen können.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Kausalzusammenhang zwischen nachteiliger Behandlung und Alter ist bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an das Alter anknüpft oder durch dieses motiviert ist; dabei ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund der ausschließliche Beweggrund für das Handeln der benachteiligenden Arbeitgeberin ist, vielmehr reicht es aus, dass das verpönte Merkmal Bestandteil eines Motivbündels ist, welches die Entscheidung beeinflusst hat.

2. Auf ein schuldhaftes Handeln oder eine Benachteiligungsabsicht kommt es nicht an.

3. Zur der Kausalität zwischen Nachteil und verpöntem Merkmal enthält § 22 AGG eine Beweislastregelung, die sich auch auf die Darlegungslast auswirkt: Der Beschäftigte genügt danach seiner Darlegungslast, wenn er Indizien vorträgt, die seine Benachteiligung wegen eines verbotenen Merkmals vermuten lassen; das ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen dieses Merkmals erfolgt ist.

4. Durch die Verwendung der Wörter "Indizien" und "vermuten" bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass es hinsichtlich der Kausalität zwischen einem der in § 1 AGG genannten Gründe und einer ungünstigeren Behandlung genügt, Hilfstatsachen vorzutragen, die zwar nicht zwingend den Schluss auf die Kausalität erfordern, die aber die Annahme rechtfertigen, dass Kausalität gegeben ist; liegt eine Vermutung für die Benachteiligung vor, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

5. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Formulierung, mit der ein "junges Team" "angeboten" wird, geeignet sein kann, die Absicht einer Diskriminierung wegen des Alters zum Ausdruck zu bringen; das ist nach den Umständen des Einzelfalls und vor dem jeweiligen Ausschreibungshintergrund zu beurteilen.

6. Ältere Personen können von einer Bewerbung Abstand nehmen, wenn sie damit rechnen müssen, ausschließlich mit jungen Leuten zu tun zu haben, insbesondere wenn sie zu ihnen in eine Wettbewerbssituation treten oder sich nach dem Inhalt der Ausschreibung in das Team besonders einbringen sollen.

7. Gegen die Absicht der Stellenausschreiberin, Personen mit dem verpönten Merkmal von einer Bewerbung abzuhalten, und damit gegen eine Nichtberücksichtigung aus Altersgründen spricht der Umstand, dass der Arbeitsplatz, um den es geht, mit dem der übrigen Beschäftigten nicht vergleichbar ist und eine unmittelbare Wettbewerbssituation nicht zu befürchten ist.

8. Ist die Stelle für einen "Vertriebsmitarbeiter (w/m)" ausgeschrieben, der den Vertrieb strukturieren und aufbauen soll, ist eine unmittelbare Konkurrenz nicht zu erwarten, wenn es dabei um einen Erfahrungsaustausch geht, für den gerade auch aus der Sicht eines älteren Bewerbers unterschiedliche Altersgruppen durchaus befruchtend sein können und nicht auszuschließen ist, dass die Arbeitgeberin mit der Formulierung zum Ausdruck bringen will, dass sich das "Team" erst vor kurzem zusammengesetzt hat, wofür insbesondere das Adjektiv "jung" spricht, soweit es auf das Team und nicht ausdrücklich auf dessen Mitglieder bezogen ist, und dafür, dass die erst kurze Zusammenarbeit gemeint ist, auch die unmittelbar darüber stehende Formulierung spricht, nach der die Chance besteht, die Vertriebsstruktur einer jungen Marke mit zu prägen.

 

Normenkette

AGG §§ 1, 6-7, 11, 15, 22, 3 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 2, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.04.2013; Aktenzeichen 6 Ca 13119/12)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. April 2013 - 6 Ca 13119/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1964 geborene Kläger macht eine Entschädigung wegen angeblicher Altersdiskriminierung im Rahmen eines Stellenbesetzungsverfahrens geltend.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein im Juli 2008 gegründetes Unternehmen. Sie entwickelt Hardware und Software rund um Multitouch, einer Technologie, die es den Benutzern ermöglicht, auf interaktiven Bildschirmen mit intuitiven Bewegungen der Hände und Finger Inhalte zu animieren. Die Beklagte schrieb im Frühjahr 2012 eine Stelle aus. In der Ausschreibung heißt es ua.:

"... Zum nächstmöglichen Zeitpunkt suchen wir einen Mitarbeiter (w/m) im Ve...

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