Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. verfassungsrechtliche Meinungsäußerung. außerdienstliches Verhalten. öffentlicher Dienst
Leitsatz (amtlich)
Bezeichnet ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in einer außerdienstlich verfassten und – u.a. im Internet – verbreiteten Pressemitteilung die Anschläge des 11.9.2001 u.a. als „längst überfällige Befreiungsaktion”, so billigt er damit die Terroranschläge.
Ein derartiges Verhalten ist als ein Angriff auf die Menschenwürde der Opfer und ihrer Hinterbliebenen zu bewerten und nicht mehr vom Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt. Der Arbeitgeber ist daher berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne vorherige Abmahnung wegen des hierdurch entstandenen Vertrauensverlustes zu kündigen.
Normenkette
KSchG § 1; BAT § 8 Abs. 1; GG Art. 1, 5
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 19.02.2002; Aktenzeichen 3 Ca 2968 b/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 19. Februar 2002 – 3 Ca 2968 b/01 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlosen Kündigungen vom 1. Oktober 2001 und 11. Oktober 2001 und auch nicht durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 1. Oktober 2001 beendet worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagte zu ¾. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 11.10.2001.
Der Kläger ist 47 Jahre alt. Von Beruf ist er Umweltschutztechniker. Bei der Beklagten ist er seit dem 1.9.1989 als Sachbearbeiter im Bereich Umweltschutz beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der BAT Anwendung.
Der Kläger ist Mitglied des „Bündnis Rechts” und dessen … in L…. Am 12.9.2001, am Tag nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York, gab er für das „Bündnis Rechts” eine Pressemitteilung heraus, die er an die Presse in Schleswig-Holstein verteilte und ins Internet stellte. Diese Pressemitteilung lautet – auszugsweise – wie folgt:
„Wie lange kann man weltweit gegen Völker Terror ausüben, Terror schüren, Bürgerkriege inszenieren, Völker mit Sanktionen überziehen usw., wie Amerika es schon seit Jahrzehnten mit seiner „One World – Idiotie” betreibt, um diese dermaßen in die Knie für die Interessen einer zionistischen Oligarchie zu zwingen, dass es zu einer längst überfälligen Befreiungsaktion gegen die USA kommen musste und sich Menschen in ihrem Befreiungskampf selbst bedingungslos opfern?
Jetzt, wo Amerika feststellen musste, dass man als Weltmacht und großer Kriegstreiber doch nicht unangreifbar ist, ist das Gejammer und Gejaule groß und verurteilt in gewohnter Weise vor der Untersuchung, anstatt auch mal Fehler einzugestehen, denn der Gewaltakt galt mit Sicherheit nicht in erster Linie den Zivilisten, sondern der politischen Führung, die bei genauer Prüfung auch die Verantwortung dafür zu übernehmen hat. Feinde hat man nicht rein zufällig, sondern die schafft man sich und Amerika hat dahingehend schon viel geschafft.
…
Jubel ist angesichts der Geschehnisse ebenso fehl am Platze wie das Heraufbeschwören der Solidarität mit dem Staat USA als „Hüterin der westlichen Wertegemeinschaft”. Vielmehr sollten die Anschläge Amerika eine Warnung sein, sich vielleicht nicht mehr in allen Erdteilen als Weltpolizist aufzuspielen und endlich dafür zu sorgen, dass gewissen Machtkonstellationen innerhalb Amerikas weniger Verfügungsgewalt zugestanden wird!
Das Bündnis RECHTS verurteilt grundsätzlich alle Terroranschläge, egal von wem aufs Schärfste und spricht allen unschuldigen, zivilen Opfern von Anschlägen sein aufrichtiges Beileid aus. Terrorakte, gegen wen auch immer sie gerichtet sein mögen, sind grundsätzlich nicht zu akzeptieren und zu tolerieren.
…
Eine differenzierte Sicht ist also angebracht. Emotionen sind verständlich, aber dürfen bei einer sachlichen Betrachtung der Lage keine Rolle spielen.”
Die Beklagte unterrichtete den Personalrat am 24.9.2001 von der beabsichtigten Kündigung. Der Personalrat teilte am 27.9.2001 mit, er bedaure, dass die Beklagte bereits die Presse informiert habe und erklärte zur Sache, er sei entsetzt über die Äußerung und nehme die Kündigung zur Kenntnis. Am 1.10.2001 sprach die Beklagte eine außerordentliche, hilfsweise fristgerechte Kündigung aus. Am 4.10.2001 stellte der Personalrat klar, er habe zustimmen wollen. Die Beklagte kündigte am 11.10.2001 erneut außerordentlich, hilfsweise fristgerecht. Hiergegen richtet sich die am 16.10.2001 mit Fax und 17.10.2001 im Original erhobene Klage, mit der der Kläger das Vorliegen von Gründen bestreitet und außerdem rügt, der Personalrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Diese Klage hat er am 2.11.2001 wegen der Kündigung vom 11.10.2001 erweitert.
Mit Urteil vom 19.2.2002 hat das Arbeitsgericht den Feststellungsanträgen ...