Entscheidungsstichwort (Thema)

Unionsrechtliche Betrachtung der Entgeltfortzahlung während des Urlaubs. Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten bei der Urlaubsvergütung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem Rechtsverständnis des Europäischen Gerichtshofes baut der Entgeltanspruch für Urlaubstage auf dem Einkommen auf, das der Beschäftigte in der Zeit erzielt, in der sein Urlaubsanspruch entsteht. Dieses unionsrechtliche Verständnis gilt auch für die Auslegung von Tarifverträgen der Mitgliedsstaaten.

2. Erhält ein Teilzeitbeschäftigter, der in der Zeit der Urlaubsentstehung noch vollzeitbeschäftigt war, für die Urlaubszeit nur seine Teilzeitvergütung, liegt ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfGvor.

 

Normenkette

RL 97/81/EG § 4 Nr. 2 Rahmenvereinbarung; AEUV § 288 Abs. 3; TV-L §§ 21, 26; TzBfG § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Entscheidung vom 12.07.2017; Aktenzeichen 2 Ca 369 e/17)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.09.2018; Aktenzeichen 9 AZR 159/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 12.07.2017 - Az. 2 Ca 369e/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Entgeltzahlung für Urlaub.

Der Kläger ist bei dem beklagten Land am Landgericht K. als Informatiker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis regelt sich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme und beiderseitiger Tarifgebundenheit nach dem TV-L.

Mit Wirkung zum 01.03.2016 wurde zwischen den Parteien eine Vereinbarung über ein "Sabbatical"getroffen. Mit dem schriftlichen Änderungsvertrag vom 21.01.2016 (Bl. 10 d. A., Anlage K1) ist mit dem Kläger eine Teilzeitbeschäftigung vereinbart worden. Die Teilzeitbeschäftigung erfolgt in Form einer siebenjährigen Vollbeschäftigung (38,7 Stunden wöchentlich) in der Zeit vom 01.03.2016 bis 28.02.2023 und einer einjährigen Freistellung in der Zeit vom 01.03.2023 bis 29.02.2024. Auf den gesamten Zeitraum bezogen ergibt sich eine Arbeitszeit von 87,5 % der Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten.

Der Kläger wird nach EG 11, Stufe 5 TV-L vergütet. Seine Vollzeitbezüge betragen 4.529,55 € brutto, seine Bezüge nach der Arbeitszeitreduzierung betragen 3.963,36 € brutto.

Am 01.03.2016 zu Beginn seiner Arbeitszeitreduzierung standen dem Kläger 23 Urlaubstage aus dem Jahre 2015 sowie weitere 5 Urlaubstage anteilig für das Jahr 2016 aus den Monaten Januar und Februar 2016 zu. Der Kläger hatte diesen Urlaub in Absprache mit dem beklagten Land nicht genommen, weil er ein hohes Gleitzeitvolumen aufgebaut hatte und seine Freizeit zunächst hieraus bestritten hat. Der Urlaub ist sodann absprachegemäß im Rahmen der Ansparphase des Sabbaticals genommen worden. Die 28 Urlaubstage nahm der Kläger nach dem 01.03.2016 in folgenden Zeitabschnitten:

23.05.2016 bis 27.05.2016 (5 Tage),

01.09.2016 bis 02.09.2016 (2 Tage),

06.09.2016 bis 30.09.2016 (19 Tage),

04.10.2016 (1 Tag) und in der Zeit vom

18.04. bis 21.04.2017 (4 Tage, davon 1 Tag Resturlaub).

Ihm wurde zu 100 % Freistellung von der Arbeit gewährt. Das beklagte Land zahlte dem Kläger 87,5 % seines Arbeitsentgelts aus und verbuchte 12,5 % des Urlaubsentgelts auf das Arbeitsentgeltkonto des Klägers für das Sabbatical.

Mit Schreiben vom 20.07.2016 beantragte der Kläger, ihm für diese 28 Urlaubstage Urlaubsentgelt für die im Jahre 2015 und anteilig 2016 ausgeübte Vollzeittätigkeit zu zahlen und nicht nur das auf 87,5% reduzierte Urlaubsentgelt (Bl. 13 d. A.). Der Kläger verlangte ausdrücklich die Auszahlung des Differenzbetrages.

Der Kläger hat vorgetragen, er habe für die Urlaubstage, die er vor der Arbeitszeitreduzierung erworben habe, aber nach der Arbeitszeitreduzierung nehme, einen Anspruch auf die Zahlung von Urlaubsentgelt in Höhe des Entgelts eines Vollbeschäftigten. Die wertmäßige Minderung des Urlaubsentgelts gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 TV-L verstoße gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Er werde wegen seiner Teilzeitbeschäftigung anders behandelt als ein Vollbeschäftigter. Er habe daher unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.02.2015 (9 AZR 53/14) Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrages zwischen dem (Vollzeit-) Tabellenentgelt und dem bereits gewährten (Teilzeit-) Tabellenentgelt für 28 Urlaubstage.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 731,70 € zu zahlen und diesen Betrag ab dem 11.03.2017 mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das beklagte Land war der Auffassung, dem Kläger stehe der geltend gemachte Zahlungsbetrag nicht zu. Der Kläger sei nicht gemäß § 4 Abs. 1 TzBfG diskriminiert worden. Die vom Kläger in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei nicht einschlägig und der vorliegende Fall nicht mit dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall vergleichbar. Da während der gesamten Ansparphase in Vollzeit gearbeitet werde, sei der rein stundenmäßige Wert eines Urlaubstages vor und nach der Änderung des Arbeitsv...

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