Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung durch Insolvenzverwalter bei fehlender Beifügung einer Vollmachtsurkunde. nichtige Betriebsratswahl in Kreishandwerkerschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch einen Insolvenzverwalter kann nicht nach § 174 BGB zurückgewiesen werden.

2. Die Wahl eines Betriebsrats in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (hier: Kreishandwerkerschaft) ist nichtig.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3, § 17; BetrVG § 19 Abs. 1, § 102 Abs. 1 S. 3, § 130; HandwO § 53 S. 1, § 89 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 174 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 16.08.2012; Aktenzeichen 52 Ca 356 c/12)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn - Kammer Meldorf, vom 16.08.2012 - 52 Ca 356 c/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der Kläger ist seit dem 01.08.1982 als Ausbilder bei der K. D. (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin), bei der mehr als 10 Arbeitnehmer tätig waren, beschäftigt. Bei der Insolvenzschuldnerin bestand eine gewählte Arbeitnehmervertretung, die sich selbst als "Betriebsrat" bezeichnete.

Durch Beschluss vom 22.11.2011 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Dieser informierte mit Schreiben vom 12.01.2012 (Bl. 26 f. d. A.) den "Betriebsrat" vorsorglich über die beabsichtigte Schließung des Betriebs und die Kündigung sämtlicher Arbeitnehmer. Am 27.01.2012 schlossen der Beklagte und der "Betriebsrat" einen "Interessenausgleich gem. §§ 111, 112 BetrVG und 125 InsO", der in § 2 die vollständige und dauerhafte Schließung des Betriebs der Insolvenzschuldnerin zu Ende Januar 2012 vorsieht. Tatsächlich ist der Betrieb der Insolvenzschuldnerin seit jenem Datum geschlossen.

Am 30.01.2012 wurde über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schreiben vom selben Tag erstattete der Beklagte die Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG bei der Bundesagentur für Arbeit und kündigte sämtlichen Arbeitnehmern. Das den Kläger betreffende Kündigungsschreiben, mit dem das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2012 beendet werden sollte, wurde am 31.01.2012 der Ehefrau des Klägers übergeben.

Mit Schreiben vom 17.02.2012 (Anlage K 3, Bl. 10 - 12 d. A.) wies der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten die Kündigung mangels Vorlage einer ordnungsgemäßen Vollmacht gem. § 174 BGB zurück.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 06.09.2012 hat das Arbeitsgericht Elmshorn einen Antrag des "Betriebsrats" der Insolvenzschuldnerin festzustellen, dass der "Betriebsrat" der K. D. bei der Wahlversammlung am 19.05.2010 ordnungsgemäß gewählt wurde, zurückgewiesen und in den Beschlussgründen ausgeführt, da es sich bei der K. D. um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handele, sei die Wahl des Betriebsrats nichtig.

Das Arbeitsgericht hat die vom Kläger fristgerecht erhobene Kündigungsschutzklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei unter Wahrung der Kündigungsfrist wirksam ausgesprochen worden. Die Betriebsschließung rechtfertige die Kündigung.

Gegen dieses ihm am 29.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.09.2012 Berufung eingelegt und diese am 12.09.2012 begründet.

Er trägt vor: Die Kündigung sei schon mangels Vorlage einer Vollmachtserklärung nach § 174 BGB unwirksam. Auch sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung nicht ordnungsgemäß angehört. Substantiierte Einwände gegen das Zustandekommen des Betriebsrats seien in erster Instanz nicht erhoben worden. Schließlich sei auch der Interessenausgleich nicht wirksam zustandegekommen. Es finde sich keine Begründung dafür, warum eine Betriebsveräußerung oder -fortführung nicht möglich sei. Daran leide auch die Massenentlassungsanzeige.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 16.08.2012 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn zum Az. 52 Ca 356 c/12 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 30.01.2012 mit Ablauf des 30.04.2012 aufgelöst worden ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers vom 31.08.2012 zurückzuweisen.

Er trägt vor: Die Kündigung sei - unstreitig - nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erklärt worden und könne nicht zurückgewiesen werden. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß gewählt, wie das Arbeitsgericht Elmshorn bereits mit Beschluss vom 06.09.2012 festgestellt habe. Daher seien die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes nicht einzuhalten gewesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die gem. § 64 Abs. 2 c ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige Berufung des Klägers ist nicht begr...

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