Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichsmehrwert für eine Freistellungsvereinbarung. Sofortige Beschwerde. Streitwert eines Vergleichs im Kündigungsschutzprozess. Vergleichsmehrwert aufgrund vereinbarter Freistellung des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn die Parteien zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits im Rahmen eines Prozessvergleichs zugleich die ungeklärten und damit strittigen Vertragskonditionen während der durch den Vergleich verlängerten Kündigungsfrist insgesamt neu regeln und zugleich die Freistellung des Arbeitsnehmers vereinbaren, löst die Freistellungsregelung einen Vergleichsmehrwert aus.

 

Normenkette

RVG § 33; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Entscheidung vom 02.05.2012; Aktenzeichen 1 Ca 102 c/12)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 02.05.2012, Az. 1 Ca 102 c/12, in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 04.07.2012, teilweise abgeändert und der Mehrwert des Vergleichs auf insgesamt € 161.125,13 festgesetzt.

 

Gründe

I. Im Beschwerdeverfahren wendet sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen die Festsetzung des sogenannten Vergleichsmehrwertes für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren.

In dem Hauptsacheverfahren führten die Parteien einen Kündigungsschutzprozess über eine ordentliche Kündigung vom 19.01.2012 zum 30.09.2012; zudem begehrte der Kläger die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Anschluss des Kündigungsschutzverfahrens. Der durchschnittliche Monatsverdienst des Klägers betrug € 9.403,77 brutto. Der Kläger war wegen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bereits vor Ausspruch der Kündigung widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt worden. Nachdem das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden war, forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 18.10.2011 auf, die Arbeit am 31.10.2011 wieder anzutreten. Der Kläger kam dieser Aufforderung solange nach, bis der Rechtsstreit durch von den Parteien ausgehandelten Prozessvergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO am 16.02.2012 erledigt wurde. Der Prozessvergleich hat u. a. folgenden Inhalt:

"1. Das Anstellungsverhältnis endet aufgrund der ordentlichen, fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 19.01.2012, zugegangen am 23.10.2012, mit Wirkung zum 31.12.2014.

2. Der Kläger wird mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher etwaiger Resturlaubs- bzw. Freizeitausgleichsansprüche sowie sämtlicher etwaiger abzugeltender Überstunden von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Auch während der Freistellung finden § 615 S. 2 BGB (Anrechnung anderweitigen Verdienstes) unter Berücksichtigung der Anrechnungsregelung der Ziff. 4.4 und §§ 60 f. HGB (Wettbewerbsverbot) Anwendung. Die Pflichten der Beklagten zur Entgeltfortzahlung werden durch die Freistellung nicht erweitert. Melde- und Nachweispflichten bestehen im Fall der Arbeitsunfähigkeit unverändert fort.

2. Für Nebentätigkeiten im Freistellungszeitraum gilt § 3 Abs. 3 TvöD in seiner jeweils geltenden Fassung. Die Beklagte ist insbesondere berechtigt, Nebentätigkeiten, die entsprechend § 60 HBG unzulässig sind, zu untersagen.

3. Das Anstellungsverhältnis wird bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß von beiden Seiten unter Berücksichtigung der Regelungen dieser Vereinbarung durchgeführt und abgerechnet. Die folgenden Regelungen zur Vergütung lösen mit Wirkung ab dem 01.01.2012 die zuvor vereinbarten Regelungen ab.

..."

Nach Anhörung der Parteien und Parteivertreter hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 02.05.2012 den für die Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren maßgebenden Wert auf € 37.615,08 festgesetzt und bestimmt, dass der Wert des Vergleichs diesen Betrag um € 44.760,83 übersteigt.

Hiergegen hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 16.05.2012 beim Arbeitsgericht sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, dass der Vergleichsmehrwert in Höhe von insgesamt € 161.125,13 festzusetzen sei. In Ziff. 2 des Vergleichs hätten die Parteien rückständige Vergütungsansprüche über € 34.344,83 aus dem Jahr 2010 und über € 46.848,25 aus dem Jahr 2011 mitverglichen. Zudem habe das Arbeitsgericht nicht berücksichtigt, dass ein zusätzlicher Mehrwert für die im Prozessvergleich vereinbarte Freistellung in Höhe von € 79.932,05 (25 % der Vergütung während des Freistellungszeitraums) zu veranschlagen sei.

Mit Beschluss vom 04.07.2012 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde teilweise abgeholfen und den Vergleichsmehrwert nunmehr auf € 81.193,08 festgesetzt und im Übrigen die sofortige Beschwerde dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 32 Abs. 1 RVG, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässig. Insbesondere ist sie dem Beschwerdewert nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt.

Auch in der Sache selbst hat die sofortige Beschwerde Erfolg.

1. Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes für den Kündigungsschutzantrag sowie de...

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