Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Erfolgsaussicht. Eigenkündigung. Beweislast. Anforderungen an die Darlegungslast. Anforderungen an die Darlegungslast bei Anfechtung einer Eigenkündigung. Auswirkungen einer Hirnleistungsschwäche

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei Prozesskostenhilfe, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Vorschrift verlangt nicht Erfolgsgewissheit, sondern lediglich hinreichende Aussicht auf Erfolg, wobei die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nicht überspannt werden dürfen. Es reicht aus, wenn bei einer allein erlaubten vorläufigen Prüfung der Parteivortrag als vertretbar bezeichnet werden kann, der Erfolg also eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Keineswegs ist eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Kommt eine Beweisaufnahme für den schlüssigen Vortrag ernsthaft in Betracht, darf die Prozesskostenhilfe nicht versagt werden, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für ein negatives Ergebnis vorliegen.

2. Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Dabei werden die Voraussetzungen für die Annahme von Geschäftsunfähigkeit durch die Rechtsprechung restriktiv gehandhabt. Eine Vermutung für den Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt auch dann nicht vor, wenn der Betroffene seit längerem an geistigen Störungen leidet.

 

Normenkette

ZPO § 114; BGB § 104 Nr. 2, § 105 Abs. 1, §§ 133, 119, 123 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 17.03.2008; Aktenzeichen 2 Ca 2952 b/07)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.3.2008 – 2 Ca 2952 b/07 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit seiner Beschwerde erstrebt der Kläger Bewilligung der Prozesskostenhilfe für eine Bestandsstreitigkeit.

Der Kläger ist am …1963 geboren und war seit dem 01.07.1986 unbefristet bei der Beklagten zunächst als Reinigungskraft, zuletzt seit Februar 2002 als Unterkunftsarbeiter beschäftigt. Der Kläger schwer behindert mit einem GdB von 90 (Bl. 7 d.A.). Aus dem Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes L. vom 31.03.1994 (Bl. 5 f. d. A.) sind als Behinderung Hirnleistungsschwäche und Schulterfunktionsstörung rechts festgestellt. Der Kläger ist des Lesens und Schreibens nicht mächtig.

Am 06.06.2007 entwendete der Kläger im Betrieb der Beklagten Kraftstoff. Es fand deshalb am 6.6.2007 mit dem Kläger ein Gespräch statt, dessen Verlauf strittig ist. Am 07.06.2007 lag der Beklagten ein vom Kläger unterzeichnetes Kündigungsschreiben vor (Bl. 8 d.A.). Wer dieses verfasst hat, ist ungeklärt. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 7.6.2007 mit, sie nehme die Kündigung an. Dieses Schreiben wurde dem Kläger am selben Tag durch den Kraftfahrer Herrn K. zugestellt und vorgelesen. Den Hausausweis und die Parkplakette erhielt die Beklagte am 12.6.2007 zurück.

Der Kläger hat am 16.11.2007 Klage vor dem Arbeitsgericht Lübeck erhoben mit dem Antrag, festzustellen, dass ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht. Zugleich hat er beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung zu bewilligen.

Der Kläger hat behauptet, das Kündigungsschreiben vom 07.06.2007 sei nicht von ihm gefertigt, sondern von der Beklagten vorbereitet worden. Man habe ihm am 06.06.2007 mehrere Unterlagen zur Unterschrift vorgelegt, die er unterschrieben habe. Darüber, dass es sich dabei um eine Eigenkündigung handeln würde, sei er nicht unterrichtet worden. Die Abgabe einer Kündigungserklärung sei ihm deshalb nicht bewusst gewesen. Er habe von der Kündigung erst später durch den Zeugen B. erfahren. Der Kläger hat daher die Auffassung vertreten, er habe ohne rechtsgeschäftlichen Willen gehandelt. Zudem hat der Kläger behauptet, auch nicht geschäftsfähig zu sein.

Die Beklagte hat behauptet, gegenüber dem Kläger am 06.06.2007 dessen Arbeitsleistung für den 07. und 08.06.2007 abgelehnt sowie ein Hausverbot mit Ausnahme des 11.06.2007 ausgesprochen zu haben. Sie habe ihrerseits am 06.06.2007 ein fristloses Kündigungsverfahren eingeleitet. Überraschenderweise sei am 07.06.2007 das Kündigungsschreiben des Klägers per Post eingegangen, womit sich ihre Kündigungsabsicht erledigt habe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6.3.2008 abgewiesen. Der Kläger hat auf Rechtsmittel verzichtet. Mit Beschluss vom 17.03.2008 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussicht zurückgewiesen.

Gegen diesen ihm am 19.03.2008 zugestellten Beschluss richtet sich die am 02.04.2008 mit Fax und am 03.04.2008...

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