Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwerterhöhung durch mehrere Klageanträge. Differenzierung zwischen Haupt- und Hilfsantrag nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein neben dem Kündigungsschutzantrag gestellter Weiterbeschäftigungsantrag ist streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn er nicht nur als Hilfs-, sondern als Hauptantrag gestellt wird.

2. Ob im Kündigungsrechtsstreit der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch durch einen Haupt- oder einen Hilfsantrag geltend gemacht wird, richtet sich entsprechend dem Grundsatz des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs ausschließlich nach dem Wortlaut des Antrags und seiner Begründung.

 

Normenkette

RVG § 23 Abs. 1; GKG § 45 Abs. 1 S. 2, Abs. 4, § 48 Abs. 1; ZPO §§ 3, 308 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Entscheidung vom 27.10.2017; Aktenzeichen 3 Ca 2156/17)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 27.10.2017, Az. 3 Ca 2156/17, abgeändert und der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wie folgt neu festgesetzt:

Der Wert des Streitgegenstandes für die anwaltliche Tätigkeit wird auf insgesamt 16.075,38 € festgesetzt.

Der Wert des Vergleiches übersteigt diesen um 1.620,00 €.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Im Beschwerdeverfahren wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes.

Im Hauptsacheverfahren führten die Parteien im Wesentlichen einen Kündigungsrechtsstreit. Die Klägerin kündigte in der Klagschrift folgende Anträge an:

  • "1.

    Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.09.2017 zum 31.10.2017, noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 11.10.2017 zum 15.11.2017 aufgelöst ist.

  • 2.

    Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

  • 3.

    Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin - bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Klageantrag zu Ziffer 1. - entsprechend dem Arbeitsvertrag als Vertriebsmitarbeiterin tatsächlich weiterzubeschäftigen.

  • 4.

    Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie Leistung und Verhalten der Klägerin im Arbeitsverhältnis erstreckt und eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung mit der Bewertung "zur vollen Zufriedenheit"enthält.

    Für den Fall, dass dem Antrag zu 1. nicht stattgegeben werden sollte, wird beantragt:

  • 5.

    Die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter dem Datum der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein qualifiziertes Endzeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie Leistung und Verhalten der Klägerin im Arbeitsverhältnis erstreckt und eine Leistungs- und Verhaltensbeurteilung mit der Bewertung ,zur vollen Zufriedenheit'enthält."

In der Klagschrift verwies der Kläger zur Begründung des Weiterbeschäftigungsantrags unter der Überschrift "Hauptantrag zu 3. Weiterbeschäftigung"auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.02.1985 - GS 1/84 -.

Im Gütetermin vom 27.10.2017 schlossen die Parteien einen verfahrensbeendenden Prozessvergleich mit folgendem Inhalt:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis auf Grund ordentlicher, fristgerechter Kündigung seitens der Beklagten aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 31. Oktober 2017 sein Ende finden wird.

2. Die Beklagte zahlt an die Klägerin eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend §§ 9, 10 KSchG i. H. v. 2.620,00 € brutto.

3. Die Beklagte erteilt der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Zeugnis. Hierzu wird die Klägerin einen Entwurf fertigen, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grunde abweichen darf.

4. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.

5. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben."

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 27.10.2017 den Streitwert für das Verfahren auf 9.970,00 € und den Mehrwert des Vergleichs auf 2.990,00 € festgesetzt. Mit ihrer Beschwerde vom 13.11.2017 haben die Prozessbevollmächtigten geltend gemacht, dass für den 2. Kündigungsschutzantrag ein halbes Gehalt in Ansatz zu bringen, sowie der Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Gehalt zu berücksichtigen sei, weil dieser unbedingt gestellt worden sei. Zudem seien Zwischenzeugnis und ein Endzeugnis mit je einem Gehalt zu berücksichtigen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde teilweise abgeholfen und den Streitwert auf 12.835,38 € und den Mehrwert des Vergleichs auf 1.620,00 € festgesetzt. Im angefochtenen Beschluss sei übersehen worden, dass Streitgegenstand zwei Kündigungen gewesen sei. Deshalb seien für beide Kündigungen zusammen drei Bruttomonatsgehälter sowie das Gehalt für den zeitlichen Unterschied von 14 Tagen zwischen Ausspruch der ersten und der zweiten Kündigung zusätzlich zu berücksichtigen. Ein Zeugniserteilung...

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