Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortige Beschwerde. Gegenstandswert. Weiterbeschäftigung. unechter Hilfsantrag. Anwaltlicher Gegenstandswert des unechten Hilfsantrags (Weiterbeschäftigungsantrag)

 

Leitsatz (amtlich)

Der im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses als sog. unechter Hilfsantrag geltend gemachte Weiterbeschäftigungsantrag ist bei der Wertfestsetzung der Anwaltsgebühren auch dann werterhöhend zu berücksichtigen, wenn über ihn nicht entschieden worden ist.

 

Normenkette

GKG § 45; RVG § 32 Abs. 1; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Beschluss vom 30.04.2009; Aktenzeichen 5 Ca 679 b/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägervertreters wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Kiel vom 30.04.2009, Az.: 5 Ca 679 b/09, abgeändert und der Wert des Streitgegenstandes auf EUR 9.444,00 festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger wendet sich im Beschwerdeverfahren gegen einen Streitwertbeschluss.

Im Hauptsacheverfahren hatte der Kläger am 08.04.2009 Kündigungsschutzklage mit folgenden Anträgen gestellt:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.03.2009, zugegangen am 31.03.2009, nicht aufgelöst worden ist und über den Beendigungszeitraum hinaus fortbesteht.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den Beendigungszeitpunkt hinaus fortbesteht.
  3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den im Arbeitsvertrag vom 01.05.2005 geregelten Arbeitsbedingungen zu einem Bruttogehalt von 2.361,54 EUR bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Im Gütetermin vom 30.04.2009 schlossen die Parteien einen verfahrensbeendenden Prozessvergleich, wonach das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung der Beklagten aus dringenden betrieblichen Gründen zum 31.05.2009 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von EUR 2.500,00 brutto endete. Wegen des weiteren Inhalts des Prozessvergleichs wird auf Bl. 17 f. d. A. verwiesen.

Mit im Gütetermin verkündetem Beschluss hat das Arbeitsgericht sodann auf Antrag des Klägervertreters den Streitwert auf drei Bruttomonatsgehälter, d. h. insgesamt auf EUR 7.083,00, festgesetzt.

Hiergegen hat der Klägervertreter mit Schriftsatz vom 06.05.2009 – bei Gericht eingegangen am 07.05.2009 – Beschwerde eingelegt. Der Weiterbeschäftigungsantrag sei mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt streitwerterhöhend zu berücksichtigen, sodass der Streitwert auf EUR 9.444,00 festzusetzen sei. Dies gelte auch dann, wenn der Weiterbeschäftigungsantrag als unechter Hilfsantrag gestellt werde.

Das Arbeitsgericht hat der als sofortige Beschwerde auszulegenden Beschwerde mit Beschluss vom 07.05.2009 unter Hinweis auf die hierzu ergangene bisherige Rechtsprechung nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist gemäß § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. § 32 Abs. 1 RVG, 68 Abs. 1 S. 1 GKG zulässig. Der Beschwerdewert von EUR 200,00 ist angesichts dessen, dass der Klägervertreter statt des ursprünglich festgesetzten Streitwerts von EUR 7.083,00 die Festsetzung von EUR 9.444,00 beantragt hat, erreicht. Die auf einen Streitwert von EUR 9.444,00 berechneten Anwaltsgebühren übersteigen die auf einen Streitwert von EUR 7.083,00 berechneten Anwaltsgebühren schon nach überschlägiger Berechnung um mehr als EUR 200,00.

Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache begründet.

Der Klägervertreter rügt zu Recht, dass das Arbeitsgericht den Wert des uneigentlichen Hilfsantrags auf Weiterbeschäftigung nicht mit einem weiteren Monatsgehalt berücksichtigt hat. Die vertretungsweise zuständige 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts hält insoweit – ebenso wie die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts (vgl. Beschluss vom 25.06.2009, Az. 6 Ta 112/09) – an der bisherigen zum strittigen Themenkomplex ergangenen Spruchpraxis des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein nicht mehr fest.

1. Die Bewertung eines uneigentlichen (unechten) Hilfsantrags, der nur für den Fall des Obsiegens mit der Klage nach § 4 KSchG geltend gemacht wird, ist umstritten. Teilweise wird der Antrag nur berücksichtigt, wenn über ihn entschieden wird (LAG Düsseldorf 21.12.2006 – 6 Ta 640/06 – zit. n. JURIS; LAG Hessen 23.04.1999 – 15/6 Ta 28/98 – NZA-RR 1999, 434; ErfK/Koch 9. Aufl. § 12 ArbGG Rn. 17). Auch zwei Kammern des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein haben bis in jüngster Zeit diese Auffassung vertreten (LAG Schleswig-Holstein 14.01.2003 – 2 Ta 224/02 – zit. n. JURIS; LAG Schleswig-Holstein 23.12.2005 – 1 Ta 228/05 –). Die Gegenansicht ist stets für eine Addition (LAG Köln, Beschl. 04.07.1995 – 10 Ta 80/95 –, MDR 1995, 1150; LAG Nürnberg, Beschl. 13.03.2008 – 6 Ta 58/08 – zit. n. Juris; LAG Hamm, Bschl. 28.06.2002 – 9 Ta 283/02 –. zit. n. Juris; LAG Berlin, Beschl. 09.03.2004 – 17 Ta ...

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