Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert, Beschlussverfahren, Kündigung, Betriebsratsmitglied, Zustimmungsersetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Im Zustimmungsersetzungsverfahren nah § 103 Abs. 2 BetrVG ist der Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung ausschließlich § 8 Abs. 2 BRAGO zu entnehmen und nicht § 12 Abs. 7 ArbGG, weil es in dem Verfahren nicht um vermögensrechtliche Fragen sonder aus Gründen der Verwirklichung der Demokratie im Betrieb um die angemessene Beteiligung des Betriebsrats an einer beabsichtigten Kündigung geht. Grundsätzlich wird der Gegenstandswert dem Regelwert von 8.000,00 DM entsprechen.

 

Normenkette

BRAGO § 8 Abs. 2; BetrVG § 103 Abs. 2

 

Beteiligte

1. Herbert L. GmbH & Co. KG

2. Betriebsrat der Firma Herbert L. GmbH & Co. KG

3. Helmut M

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Aktenzeichen 3 BV 47 a/99)

 

Tenor

wird auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten Helmut M. der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung auf 12.000,00 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die Bewertung des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit richtet sich grundsätzlich nach dem Wert des Streitgegenstandes. Das ist im Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG die Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitglieds. Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Kündigung betrifft keine vermögensrechtlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, sondern nichtvermögensrechtliche, denn die Mitbestimmungsrechte bezwecken ausschließlich, dass der Arbeitgeber nicht mehr allein, sondern unter angemessener Beteiligung des Betriebsrats als Vertreter der Belegschaft Entscheidungen über das Verbleiben der Betriebsratsmitglieder im Betrieb aufstellt (vgl. LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 7. Juli 1986 – 4 Ta 93/86 –). Zur Bewertung des Gegenstandswertes darf, entgegen der Annahme vieler, nicht auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Rechte nach § 103 BetrVG abgestellt werden, denn Verfahrensgegenstand ist lediglich die Frage, ob der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zustimmt. Die Kündigung selbst wird allenfalls vorbereitet. Die Kündigung kann Folgeergebnis der zutreffenden Entscheidung des Arbeitsgerichts sein, sie ist aber nicht Primärzweck der gesetzlichen Ordnung. Nur auf den Primärzweck kommt es dabei an, nämlich die Kündigung des besonders geschützten Personenkreises des § 103 BetrVG nicht mehr autokratisch zu bestimmen, sondern die Belegschaft, vertreten durch den Betriebsrat, an der Verwirklichung einer Kündigungsabsicht zu beteiligen. Es geht um die Beteiligung des Betriebsrats in betriebsverfassungsrechtlicher Hinsicht und nicht um die wirtschaftlichen Auswirkungen des durch die Zustimmung bzw. Zustimmungsersetzung ermöglichten Rechtsakt der Kündigung. Der abweichenden Literaturmeinung kann deshalb nicht gefolgt werden.

Das Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG kann damit als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit auch nicht analog mit § 12 Abs. 7 ArbGG bewertet werden; diese Bewertungsvorschrift ist ausschließlich auf vermögensrechtliche Verfahrensgegenstände zugeschnitten (ebenso zutreffend LAG Frankfurt, Beschl. v. 24. Oktober 1983 – 6 Ta 249/83 –; LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 15. Juni 1990 in JurBüro 1991, 62 ff.; LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 5. Mai 2000 – 4 TaBV 25/99 –; ebenso LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 2. Juli 1993 – 4 Ta 48/93 –; LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 7. Juli 1986 – 4 Ta 93/86 –; ebenso weiterhin LAG Schl.-Holst. i. d. Beschl. – 3 Ta 54/96 –, – 5 Ta 94/94 –, – 5 Ta 22/96 –, – 6 Ta 16/94 –; a. a. Hillach-Rohs in Handbuch des Streitwerts in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, 9. Aufl. 1995, § 93 a. S. 467, der sich insbesondere auf LAG Hamm stützt, das wiederum auf Wenzel in DB 1977, 722 – 726 fußt). Der Hinweis auf die sogenannte präjudizielle Wirkung für Kündigungsverfahren und die Beteiligungseigenschaft des betreffenden Betriebsratsmitglieds ändert nichts daran, dass es im Beschlussverfahren nur um die kollektive Mitwirkung des Betriebsrats an einer beabsichtigten Kündigung geht und nicht um den Streit um eine Kündigung. Das wird oft verkannt. Daher ist auch entgegen neuer Literatur wie Meier (Die Höhe des Streitwerts im Arbeitsrecht 1998, S. 36) oder Bertelsmann (Gegenstandswert im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren 1999, S. 83) der Streitwert nicht § 12 Abs. 7 ArbGG zu entnehmen.

§ 8 Abs. 2 BRAGO eröffnet zwar einen Spielraum zwischen 300,00 DM und 1 Mio DM. Dabei hat der Gesetzgeber als Regelwert den Gegenstandswert mit 8.000,00 DM festgehalten (so auch LAG Schl.-Holst., Beschl. v. 12. April 1994 – 6 Ta 16/94 –; ständige Rechtsprechung der IV. Kammer des LAG Schl.-Holst. seit 1983; ebenso Grunsky, ArbGG, 7. Aufl. 1995, Rdnr. 53 zu § 80; ebenso Germelmann, ArbGG, 3. Aufl. 1999, § 84, Rdnr. 14). Grundsätzlich ist daher vom Regelwert auszugehen. Hier aber rechtfertigt die besondere Bedeutung der Sache, die auch in der Zulassung de...

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