Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahl. Anfechtung. Wählbarkeit von Leiharbeitnehmern

 

Leitsatz (redaktionell)

Auch wenn dieses nicht ausdrücklich im Gesetzestext des BetrVG aufgenommen worden ist, sind die in § 5 Abs. 1 S. 3 BetrVG genannten drei Personengruppen – Beamte, Soldaten und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes – aktiv und passiv wahlberechtigt zum Betriebsrat.

 

Normenkette

BetrVG §§ 19, 5 Abs. 1 S. 3 n.F., § 8

 

Verfahrensgang

ArbG Lübeck (Beschluss vom 15.09.2010; Aktenzeichen 5 BV 45/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 15.09.2010 – Az. 5 BV 45/10 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 2. zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Anfechtung einer am 10.05.2010 durchgeführten Betriebsratswahl und in diesem Zusammenhang über die Wählbarkeit von gestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Die Beteiligte zu 1. ist eine im Betrieb der Beteiligten zu 3. vertretene Gewerkschaft. Die Beteiligte zu 3 beschäftigt in ihrem L. Betrieb derzeit ca. 536 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden nur „Mitarbeiter”), von denen lediglich ca. 315 mit ihr arbeitsvertraglich gebunden sind. Die restlichen 211 Mitarbeiter sind in ihrem Betrieb als von dem U.klinikum S.-H. „Gestellte” tätig.

Nach entsprechendem Wahlausschreiben vom 26.03.2010 (Anlage A 3, Bl. 19 – 20 d. A.) wurde am 10.05.2010 ein aus neun Mitgliedern bestehender Betriebsrat gewählt. Gemäß der Wählerliste gestand der Wahlvorstand den 221 gestellten Arbeitnehmern nur das aktive, nicht jedoch das passive Wahlrecht zu. Die Beteiligte zu 1. fertigte unter dem Kennwort „v.” eine eigene Wahlvorschlagsliste (Anlage A 4, Bl. 21 – 22 d. A). Die Wahlvorschlagsliste wies die Namen von 13 Beschäftigten auf, die im Rahmen der Personalgestellung bei der Beteiligten zu 3. tätig sind. Der Wahlvorstand teilte der Listenführerin mit Schreiben vom 08.04.2010 (Anlage A 5, Bl. 27 d. A.) mit, dass die eingereichte Vorschlagsliste einen unheilbaren Mangel habe, da die vorgeschlagenen Bewerberinnen und Bewerber kein passives Wahlrecht hätten. Nach Durchführung der Betriebsratswahl am 10.05.2010 machte der Wahlvorstand das Wahlergebnis am 17.05.2010 (Anlage A 1, Bl. 7 d. A.) bekannt. Der neue Betriebsrat ist zwischenzeitlich konstituiert. Mit am 21.05.2010 beim Arbeitsgericht eingegangener Antragsschrift hat die Beteiligte zu 1 die Betriebsratswahl angefochten.

Hintergrund ist Folgender:

Die U. GmbH, die Beteiligte zu 3, wurde im Juni 2005 gegründet und war als Konzernunternehmen bis zum 31.12.2009 eine 100%ige Tochtergesellschaft des U.klinikums S.-H. (im Folgenden: UK S-H). Zum 01.01.2010 ist eine Minderheitsbeteiligung von 49 % auf einen privaten Investor übertragen worden. Aufgabe der Beteiligten zu 3. ist es, Sekundärleistungen, insbesondere Reinigungs- und Sterilisationsleistungen, Hol- und Bringdienstleistungen sowie Transportleistungen für das UK S-H am Campus L.K und am Campus L. durchzuführen. Diese Aufgaben sind im Zusammenhang mit der Gründung der Beteiligten zu 3 im Jahre 2005 aus dem UK S-H ausgegliedert und dieser übertragen worden. Sie haben sich nicht durch die Beteiligung des privaten Dritten zum 01.01.2010 verändert.

Zur Erledigung der o.g. Aufgaben setzt die Beteiligte zu 3. einerseits eigene Mitarbeiter ein. Darüber hinaus sind in den Servicebereichen der Beteiligten zu 3 auch fortlaufend Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des UK S-H eingesetzt. Dabei handelt es sich um diejenigen Personen, die schon mit den Serviceaufgaben betraut waren, als das UK S-H diese Aufgaben noch selbst erfüllte. Insoweit ist hinsichtlich der Organisation der Aufgabenbewältigung keine grundlegende Veränderung eingetreten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des UK S-H sind in diesem Bereich nicht ausgewechselt worden. Es werden im Servicebereich aber seit 2005 zusätzliche neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Arbeitsverträgen zur Beteiligten zu 3 beschäftigt. Diese beiden „Arbeitnehmergruppen” – der Beteiligten zu 3 und des UK S-H – vermischen sich in der Arbeitsorganisation, z.B. bei der Urlaubs- und Krankheitsvertretung, beim dienstplanmäßigen Einsatz etc., zunehmend miteinander. Die diesbezügliche organisatorische Federführung obliegt der Beteiligten zu 3, allerdings unter Beachtung der für die jeweiligen Arbeitsverhältnisse geltenden unterschiedlichen Dienstvereinbarungen des UK S-H bzw. der Betriebsvereinbarungen der Service GmbH. Vertragliche Regelungen über den Personaleinsatz der UK S-H-Arbeitnehmer bei der Beteiligten zu 3 sind allerdings 2005 nicht getroffen worden. Der Einsatz ist rein tatsächlich erfolgt. Die Mitarbeiter des U.klinikums S.-H. haben schlicht gemeinsam mit den Arbeitnehmern der Beteiligten zu 3. die Arbeitsleistungen in den Servicebereichen erbracht.

Erst mit gesellschaftsrechtlicher Beteiligung eines privaten Partners zum 01.01.2010 ist zwischen dem U.klinikum und der Beteiligten zu 3. am 16.12.2009 ein Personalgestellungsvertrag (...

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