Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Erfolgsaussicht. Widerruf. Vergleich. Schriftform. Unterschrift. Anwaltswechsel

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein unter Widerrufsvorbehalt geschlossener Vergleich ist regelmäßig aufschiebend bedingt.

2. Schließen die Parteien eines Rechtsstreites einen widerruflichen Vergleich und vereinbaren für den Widerruf, dass dieser durch Schriftsatz gegenüber dem Arbeitsgericht auszuüben ist, so stellt der Widerruf eine Prozesshandlung dar, für die die Erfordernisse des § 130 Nr. 6 ZPO gelten.

3. Ein Widerrufsschriftsatz des Rechtsanwalts, der dem Unterschriftserfordernis des § 130 Nr. 6 ZPO nicht genügt, stellt keinen wirksamen Widerruf dar.

4. Die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts für den gleichen Rechtsstreit kommt nur in Betracht, wenn für den Entzug des Mandats des zunächst beauftragten Rechtsanwalts ein wichtiger Grund bestand.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 130 Nr. 6; BGB §§ 126, 779

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Beschluss vom 21.11.2005; Aktenzeichen 4 Ca 400 a/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.11.2005 – 4 Ca 1806 a/2005 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Kläger erstrebt mit seiner sofortigen Beschwerde Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Weiterführung des Rechtsstreits.

Der Kläger war bei dem beklagten Land gemäß dem Vertrag vom 11.11./23.11.2004 als Aushilfsangestellter für die Aufgaben eines Lehrers an der Grundschule G. in N. mit einer regelmäßigen wöchentlichen Pflichtstundenzahl von 26 Stunden eingestellt worden. Nach dem Vertrag erfolgte die Einstellung aufgrund der Mutterschutzfristen einer Lehrerin und sollte vom 8.11.2004 bis 11.2.2005 befristet sein. Das beklagte Land hat das Arbeitsverhältnis vorsorglich mit Schreiben vom 12.4.2005 zum 30.4.2005 ordentlich gekündigt. Diese Kündigung hat der Kläger ebenfalls angegriffen.

Mit der am 4.3.2005 per Fax erhobenen Klage (4 Ca 400 a/05) hat sich der Kläger gegen die Befristung des Arbeitsverhältnisses gewandt und Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung beantragt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 6.10.2005 dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. bewilligt.

In der mündlichen Verhandlung vom 25.8.2005 haben sich die Parteien wie folgt verglichen:

I. Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aufgrund arbeitgeberseitiger ordentlicher Kündigung vom 12.4.2005 während der Probezeit am 30.4.2005 geendet hat.

II. Das beklagte Land zahlt an den Kläger analog §§ 9, 10 KSchG i.V.m. § 3 Ziff. 9 EstG für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von 5.800 EUR.

III. Beiden Parteien bleibt vorbehalten, diesen geschlossenen Vergleich schriftlich gegenüber dem Gericht zu widerrufen und zwar bis zum 08. September 2005.

Mit dem am 8.9.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Fax der Kanzlei der Klägervertreter ist der Vergleich widerrufen worden. Der Schriftsatz ist wie folgt unterzeichnet:

… Unterschrift

Sämtliche andere Schriftsätze der Kanzlei der damaligen Klägervertreter in der Gerichtsakte enthalten einen Namenszusatz. Mit Fax vom 9.9.2005 ist durch Rechtsanwältin B. erklärt worden, der Widerruf werde widerrufen. Außerdem hat sie mit Schreiben vom 7.9.2005 an das beklagte Land um Überweisung der Abfindung gebeten. Der Kläger hat mit Fax vom 13.9.2005 gegenüber dem Arbeitsgericht den Widerruf des Widerrufs nicht für bindend erklärt und um Entscheidung gebeten.

Mit dem am 28.9.2005 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sich für den Kläger Rechtsanwalt W. gemeldet und mitgeteilt, das Mandatsverhältnis mit den Rechtsanwälten J. und Partner sei beendet. Die Rechtsanwälte J. und Partner haben ihre Kosten gegenüber der Staatskasse geltend gemacht.

Mit Schriftsatz vom 14.11.2005 hat Kläger beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. zu bewilligen. Diesen Antrag hat das Arbeitsgericht mit dem in der Verhandlung vom 21.11.2005 verkündeten Beschluss zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 28.12.2005 per Fax eingelegte Beschwerde des Klägers, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde hat nicht Erfolg. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Kläger steht entgegen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO i.V.m. § 11a Abs. 3 ArbGG bietet.

Der Rechtsstreit, für dessen Fortführung der Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt W. begehrt, ist durch den Prozessvergleich vom 25.08.2005 beendet worden. Der in dem Vergleich unter Ziff. III. für beide Parteien vereinbarte Widerrufsvorbehalt ist nicht wahrgenommen worden.

Der Vorbehalt, einen Vergleich zu widerrufen, stellt i.d.R. eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Vergleichs dar (Zöller/Stöber, Rn.10 zu § 794 ZPO). Die bindende Wirkung des Vergleichs tritt erst ein, wenn bei Ablauf der Widerrufsfrist fes...

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