Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Abfindung. Vermögen. Anrechnung. Freibetrag

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die im Rahmen eines Kündigungsschutzrechtsstreites vereinbarte Abfindung stellt einen einzusetzenden Vermögenswert im Sinne von § 115 ZPO dar. Sie unterfällt nicht den Ausnahmetatbeständen nach § 90 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 SGB XII, sondern stellt allenfalls einen kleineren Barbetrag bzw. sonstigen Geldwert nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII dar. Übersteigt die Abfindung diesen Wert, so ist sie grundsätzlich einzusetzen.

2. Die Abfindung kann erst dann berücksichtigt werden, wenn sie auch tatsächlich geflossen ist. Auf eine Zwischenfinanzierung kann die PKH-Partei nicht verwiesen werden.

3. Ausnahmsweise kann eine Beteiligung an den Prozesskosten unterbleiben, wenn der Einsatz der Abfindung eine besondere Härte darstellt. Eine solche liegt nicht bereits dann vor, wenn die PKH-Partei neben dem Vermögen auch Verbindlichkeiten hat. Die PKH-Partei ist nicht berechtigt diese Verbindlichkeiten vorzeitig zu tilgen.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 3; SGB XII § 90

 

Verfahrensgang

ArbG Neumünster (Beschluss vom 19.12.2005; Aktenzeichen 4 Ca 2018 a/05)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neumünster vom 19.12.2005 – 4 Ca 2018 a/05 – in Gestalt der Nichtabhilfeentscheidung vom 2.1.2006 teilweise abgeändert:

Die Klägerin hat sich an den Kosten ihrer Prozessführung mit der Zahlung in Höhe eines einmaligen Betrages von 240 EUR am 30.4.2006 zu beteiligen.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden auf die Hälfte ermäßigt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Anordnung, dass sie sich an den Kosten der Führung des Rechtsstreits mit einem Anteil aus ihrer Abfindung zu beteiligen hat.

Die Klägerin hat am 28.11.2005 Klage erhoben, mit der die Feststellung begehrt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 21.11.2005 zum 31.12.2005 beendet wird. Ferner hat sie Weiterbeschäftigung als Reinigungskraft verlangt. Die Klägerin hat gleichzeitig Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt. Nach den Angaben der Klägerin in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bezieht sie derzeit Krankengeld, deren Höhe noch unklar ist. Sie hat verschiedene Versicherungskosten in Höhe von insgesamt 244 EUR, unterhält ein Konto bei der … Bank und verfügt über eine Lebensversicherung mit einem Guthaben von etwa 11.200 EUR. Als Belastung ist eine Kreditrate in Höhe von monatlich 121,02 EUR angegeben. Die Restschuld beträgt 1880 EUR. In der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2005 haben sich die Parteien verglichen, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitigen ordentlicher krankheitsbedingter Kündigung mit Ablauf des 30.4.2006 enden wird. Bis zu diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgewickelt. Als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes soll in die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5000 EUR erhalten, wovon die eine Hälfte am 31.12.2005 und die zweite am 30.4.2006 fällig ist.

Mit Beschluss vom 19.12.2005 hat das Arbeitsgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und bestimmt, dass die Klägerin sich an den Kosten der Prozessführung mit einer einmaligen Zahlung in Höhe von 10% ihrer Abfindung zu beteiligen hat. Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht teilweise abgeholfen hat. Das Arbeitsgericht hat den Beschluss dahingehend konkretisiert, dass sich die Klägerin mit einem einmaligen Betrag von 500 EUR am 30.4.2006 zu beteiligen hat. Im Übrigen hat es die Sache dem Landesarbeitsgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die sofortige Beschwerde hat nur eingeschränkt Erfolg.

Zutreffend hat das Arbeitsgericht bestimmt, dass die Klägerin sich an den Kosten der Führung des Rechtsstreits mit einem einmaligen Betrag zu beteiligen hat. Eine Abfindung ist als Vermögen i. S. des § 115 ZPO zu berücksichtigen. Nach § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei, die Prozesskostenhilfe begehrt, ihr Vermögen einzusetzen, soweit es zumutbar ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Abfindung als Bestandteil seines Vermögens bei der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen (BAG Beschluss vom 22.3.2003 – 2 AZB 23/03 –). Nach § 90 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Eine als Abfindung für den Verlust eines Arbeitsplatzes geleistete Summe fällt nicht unter die Ausnahmetatbestände des § 90 Abs. 2 Ziff. 1 bis 8 SGB XII. Die summe ist nicht zu berücksichtigen, wenn es sich um einen kleineren Barbetrag oder einen sonstigen Geldwert handelt, § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII. Die Höhe des kleineren Barbetrags ergibt sich aus § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII und beträgt bei Personen, die anderen nicht unterhaltspflichtig sind, 2.600 EUR. Die...

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