Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Wiederholungsgefahr bei einem Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bestimmt der Betriebsrat bei Beginn und Beendigung der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mit. Das Mitbestimmungsrecht erfasst damit auch die Erstellung von Dienstplänen durch den Arbeitgeber. Die Verletzung dieses Mitbestimmungsrechts kann der Betriebsrat im Wege eines Unterlassungsanspruchs verhindern.

2. Setzt der Arbeitgeber mehrfach Dienstpläne gegenüber den Beschäftigten ohne Beteiligung des Betriebsrats durch Aushang in Kraft, indiziert diese Pflichtverletzung eine Wiederholungsgefahr. Diese ist nur dann ausgeschlossen, wenn aus faktischen oder rechtlichen Gründen eine Wiederholung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ausscheidet. Die Zusicherung, diese zukünftig zu unterlassen, genügt hierfür nicht.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; ZPO § 890 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 25.02.2021; Aktenzeichen 5 BV 52 c/20)

 

Tenor

  1. Die Beteiligte zu 2.) wird verpflichtet, es zu unterlassen, bezüglich ihrer Beschäftigten im Rahmen von Monatsdienstplänen Arbeitsleistungen anzuordnen oder mit ihnen zu vereinbaren, sofern nicht der Betriebsrat dem Dienstplan bezogen auf eine solche Anordnung oder Vereinbarung von Arbeitsstunden zuvor zugestimmt hat oder seine fehlende Zustimmung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.
  2. Der Beteiligten zu 2.) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen ihre Verpflichtung aus Ziffer 1. ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 EUR angedroht.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs des Antragstellers (im Folgenden: Betriebsrat).

Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin betreibt im Kreis D... zwei Krankenhäuser. Sie erstellt monatlich für ihre 2.150 Beschäftigten 109 Dienstpläne, seit November 2020 sind es 108. Für die Dienstplanerstellung gilt die Betriebsvereinbarung zu Grundsätzen der Dienstplanung und zur Einrichtung von Arbeitszeitkonten vom 31.07.2013 (im Folgenden: BV Dienstplan) und eine Anwendungs- und Änderungsvereinbarung hierzu vom 01.09.2016 (Anlage AS 1, Bl. 5 - 12 d.A.). Die BV Dienstplan lautet auszugsweise:

"§ 1 Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten die im Pflegedienst tätig sind und im Dienstplanprogramm SP-Expert erfasst werden.

§ 2 Grundsätze der Dienstplangestaltung

...

(4) Der Dienstplan ist über einen Zeitraum von mindestens einem Monat zu erstellen. Der Dienstplan des jeweiligen Monats ist bis zum 10. des Vormonats zu erstellen. Der Dienstplan ist nach § 87 Abs.1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Erhebt der Betriebsrat nicht bis zum 14. des Vormonats Einwände, gilt der Dienstplan als genehmigt. Fällt dieser Tag auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag sind die Einwände spätestens am vorhergehenden Arbeitstag - Montag bis Freitag - zu erheben. Der Dienstplan wird am 15. des Vormonats verbindlich. Er ist als genehmigt zu kennzeichnen und den Mitarbeitern durch Aushang zugänglich zu machen.

(5) Ist der Dienstplan gemäß Abs. 4 verbindlich, können Änderungen vom Vorgesetzten grundsätzlich nur im Ausnahmefall und nur mit Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter vorgenommen werden. Änderungen sind in beiderseitigem Einvernehmen zwischen Vorgesetzten sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möglich. Dies gilt auch für den Diensttausch. Der Betriebsrat genehmigt, stets widerruflich, alle Dienstplan Änderungen die einvernehmlich und freiwillig erfolgen. Alle Abweichungen zwischen der dienstplanmäßig vorgesehenen und der tatsächlichen Arbeit sind zu dokumentieren."

§ 2 Abs. 7 BV Dienstplan und die Anwendungs- und Änderungsvereinbarung legen Grundsätze der Dienstplanung fest.

Die Zustimmung zu den Dienstplänen hat der Betriebsrat einem Dienstplanausschuss (DPA) übertragen. Von Januar bis November 2020 lehnte dieser die Genehmigung von insgesamt 103 Dienstplänen ab, weil nach seiner Auffassung Verstöße gegen die BV Dienstplan, zum Teil auch gegen arbeitszeitrechtliche Vorgaben vorlagen. Die Dienstpläne wurden vom Arbeitgeber - teilweise nach Korrektur einzelner Verstöße - in Kraft gesetzt. Spätestens ab Mai 2020 rügte der Betriebsrat in Besprechungen mit der Personalabteilung und der Geschäftsführung wiederholt die Dienstplangestaltung. Mit Schreiben vom 16.09.2020 wies er die Arbeitgeberin darauf hin, dass ohne Zustimmung des DPA ein Dienstplan nicht veröffentlicht und umgesetzt werden dürfe. Die Arbeitgeberin wurde ausdrücklich aufgefordert, zukünftig nur Dienstpläne zu veröffentlichen und umzusetzen, die genehmigt worden seien oder bei denen die Zustimmung des Betriebsrats durch die Einigungsstelle ersetzt worden sei. Mit am 08.10.2020 eingegangenem Antrag hat der Betriebsrat das vorliegende Verfahren eingeleitet.

Die Bean...

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