Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 10.11.1994; Aktenzeichen 9 Ca 3825/94)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.09.1997; Aktenzeichen 8 AZR 14/96)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbG Magdeburg vom10.11.1994 – 9 Ca 3825/94 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites tragt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen einer Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (im folgenden MfS).

Der am … geborene Kläger (geschieden, 2 Kinder) absolvierte von 1969 bis 1972 ein Ingenieurstudium an der Ingenieurschule der Deutschen Post in Leipzig. Ab 1972 war er beim Post- und Fernmeldeamt … beschäftigt, ab 1978 als Abteilungsleiter des Technischen Dienstes. Seit dem 01.01.1991 ist der Kläger in der Planungsstelle für fernmeldetechnische Inneneinrichtungen des Fernmeldeamtes … als Sachbearbeiter in der Vergütungsgruppe III zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt 3.000,00 DM tätig.

Unter dem 27.03.1991 gab der Kläger in einem Personalfragebogen der Beklagten an, daß er von 1985 bis 1989 nebenamtlich für das MfS tätig gewesen sei und Auskunftsberichte über Mitarbeiter gefertigt habe (Bl. 55 d.A.). Mit Schreiben vom 31.07.1991 richtete die Beklagte an den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (im folgenden Gauck-Behörde) ein Auskunftsersuchen über den Kläger (Bl. 145 – 146 d.A.). Am 27.11.1992 erhielt die Beklagte den Einzelbericht der Gauck-Behörde über den Kläger (Bl. 61 – 63 d.A.). Daraus ergab sich, daß der Kläger seit Ende 1984 als Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit (IMS) unter dem Decknamen … für das MfS tätig gewesen war. In zwei konspirativen Wohnungen hatten 34 Treffs mit Führungsoffizieren stattgefunden. Insgesamt lagen 58 Berichte vor, von denen 37 handschriftlich gefertigt und mit Decknamen unterschrieben waren.

Die Berichte enthielten unter anderem Einschätzungen über ca. 35 Personen, und zwar

  • zu Person, Familie, Charaktereigenschaften und Hobbys
  • zu Fachwissen und beruflicher Tätigkeit
  • zu Verbindungen zur BRD
  • zu politischen Aktivitäten

und betrafen fast ausschließlich Mitarbeiter des Postfernmeldeamtes … Weiter ist mitgeteilt, daß der Kläger 11 Prämien im Werte von insgesamt 1.230,00 M erhalten habe. Dem Einzelbericht beigefügt war unter anderem die handschriftliche Verpflichtungserklärung des Klägers sowie eine von ihm gefertigte vierseitige handschriftliche Personeneinschätzung vom 19.05.1988 sowie eines betrieblichen Vorfalles vom 07.04.1988 (eine Seite). Wegen der Einzelheiten wird auf den Gauck-Einzelbericht Bezug genommen.

Die Beklagte hörte den Kläger zu diesem Einzelbericht am 05.07.1993 an. Dabei gab der Kläger an, daß er in seinen Kurzberichten nur solche Informationen weitergegeben habe, die auch alle anderen Mitarbeiter besessen hätten; Persönliche Informationen habe er schon deshalb nicht weitergeben können, da ihm die Privatsphäre im wesentlichen unbekannt gewesen sei. Wegen des weiteren Inhalts der Anhörung wird auf das Protokoll Bl. 36 – 41 d.A. Bezug genommen.

Die Beklagte beantragte daraufhin eine ergänzende Auskunft der Gauck-Behörde, die am 18.03.1994 bei ihr einging. Hierzu hörte sie den Kläger am 31.05.1994 erneut an. Auf die Niederschrift dieser Anhörung wird Bezug genommen (Bl. 31 – 35 d.A.). Mit Schreiben vom 01.08.1994 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Personalrat gemäß § 79 Abs. 3 BPersVG zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung sowie vorsorglich zu einer ordentlichen Kündigung des Klägers an. Zur Begründung verwies sie auf die Tätigkeit des Klägers für das ehemalige MfS sowie auf die dem Schreiben beigefügten Niederschriften über die Anhörungen des Klägers (Bl. 29 f.d.A.). Mit Schreiben vom 03.08.1994 erklärte der Personalrat durch seinen stellvertretenden Vorsitzenden, daß er der außerordentlichen und der vorsorglichen ordentlichen Kündigung zustimme. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 05.08.1994 das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 31.12.1994.

Mit seiner am 12.08.1994 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigungen. Er hat vorgetragen, daß er mit seiner Tätigkeit für das MfS niemandem geschadet habe. Zudem habe die Beklagte das Kündigungsrecht dadurch verwirkt, daß sie ihn in Kenntnis seiner MfS-Verstrickung über 40 Monate in seiner alten Position weiterbeschäftigt habe. Schließlich habe die Beklagte den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt, insbesondere habe sie ihm die Kündigungsgründe nicht ausreichend substantiiert mitgeteilt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis nicht mit der außerordentlichen Kündigung vom 05.08.1994 sowie der vorsorglichen ordentlichen Kündigung vom 05.08.1994 aufgelöst ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen über den 05.08.1994 sowie über den 31.12.1994 hinaus weiterzub...

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