Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörung des Personalrats. Mitteilungspflicht des Arbeitgebers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes muss dem Personalrat die für seinen Kündigungsentschluss maßgeblichen Tatsachen einschließlich der Gründe für die Sozialauswahl unaufgefordert mitteilen. Verstößt er hiergegen, so ist die Kündigung rechtsunwirksam.

2. Die Grundsätze der Sozialauswahl gelten auch bei Massenentlassungen. Die mit jeder sozialen Auswahl bei einer Massenentlassung im Rahmen der Stilllegung eines Betriebsteils typischerweise verbundenen Schwierigkeiten aufgrund der erforderlich werdenden Um- und Versetzungen und der damit verbundenen notwendigen Einarbeitungszeiten stellen prinzipiell keine berechtigten betrieblichen Bedürfnisse i.S.v. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG dar, die den Arbeitgeber von der Vornahme einer Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG befreien.

3. Beim Abbau eines Personalüberhangs steht ein unterschiedliches arbeitsvertragliches Arbeitszeitvolumen der Austauschbarkeit von Arbeitnehmern nicht allein deshalb entgegen, weil auch ihnen ohne Änderung ihres Arbeitsvertrags kraft Direktionsrechts des Arbeitgebers eine Stelle mit jeweils anderen Arbeitszeitvolumen nicht zugewiesen werden könnte. Die Notwendigkeit einer Sozialauswahl zwischen Arbeitnehmern mit unterschiedlichem individuellen Arbeitszeitumfang hängt vom Inhalt der kündigungsbegründenden Unternehmerentscheidung ab.

 

Normenkette

PersVG-SA § 67 Abs. 1 Nr. 8, § 57 Abs. 2; BPersVG § 108 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Urteil vom 12.12.2001; Aktenzeichen 12 Ca 3066/01)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil desArbeitsgerichts Magdeburg vom12.12.2001 –12 Ca 3066/01 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung vom 27.06. zum 31.12.2001.

Die am … geborene Klägerin ist verheiratet. Ihr Ehemann ist erwerbslos. Die Klägerin hat keine (unterhaltsberechtigten) Kinder. Sie ist seit dem 01.04.1985 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Reinigungskraft mit Essensausgabe (Lohngruppe 1/1 a BMTG-O) auf einer nach dem Stellenplan der Beklagten dem Amt 51 (Jugendamt) angegliederten Stelle mit vertraglich vereinbarten 40 Wochenstunden beschäftigt.

Im Jahr 2000 privatisierte die Beklagte die Reinigungsleistung an den Schulen (Amt 40 – Schulverwaltungsamt). Die jeweiligen privaten Dienstleister hatten sich gegenüber der Beklagten vertraglich verpflichtet, die Reinigungskräfte an den Schulen vorbehaltlich deren Zustimmung zu übernehmen und die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen der Beschäftigten vor Ablauf eines Jahres nicht zu deren Nachteil zu ändern. Alle Reinigungskräfte lehnten die angebotene Übernahme ab. Die Beklagte hatte auch der Klägerin, wie den anderen Reinigungskräften des Amtes 51 mit Schreiben vom 29.11.1999 die Möglichkeit gegeben, sich ab 01.01.2000 für eine Übernahme zu einer Reinigungsfirma und damit zur Arbeit an einer Schule bereitzuerklären, wenn von den Reinigungskräften der Schulen diese Möglichkeit nicht genutzt werde. Die Klägerin erklärte sich dazu wie alle ihre Arbeitskolleginnen nicht bereit.

Am 20.04.2001 beschäftigte die Beklagte noch 71 Schulreinigungskräfte (Lohngruppe 1/1 a BMTG-O) in ungekündigten Arbeitsverhältnissen mit anderen Aufgaben außerhalb des Stellenplanes. Mit diesen Arbeitnehmerinnen waren folgende Arbeitszeitvolumen vereinbart:

1

Reinigungskraft mit 20 Wochenstunden

4

Reinigungskräfte mit 30 Wochenstunden

1

Reinigungskraft mit 35 Wochenstunden

65

Reinigungskräfte mit 40 Wochenstunden.

Die Beklagte beschäftigte am 20.04.2001 ferner einschließlich der Klägerin 45 Reinigungskräfte und 101 Reinigungskräfte mit Essensausgabe im Amt 51, vorwiegend im Kindertagesstättenbereich, sowie 11 Reinigungskräfte in den Theatern in der Lohngruppe 1/1 a BMTG-O. Mit den Reinigungskräften in den Theatern sind individuelle, vom Spielbetrieb abhängige Arbeitszeiten (Schicht- und Wochenend- sowie Feiertagsdienste) einzelvertraglich vereinbart. Für alle anderen Reinigungskräfte gilt die Dienstvereinbarung über gleitende Arbeitszeit.

Die Beklagte kündigte der Klägerin und 70 weiteren Arbeitnehmerinnen mit Schreiben vom 27.06. fristgerecht zum 31.12.2001. Die Auswahl dieser 71 Arbeitnehmerinnen nahm die Beklagte mit dem Stichtag 20.04.2001 unter 190 Reinigungskräften und Reinigungskräften mit Essensausgabe der Ämter 40 und 51 vor, mit denen vertraglich eine Wochenarbeitszeit von 20, 30, 35 und 40 Stunden vereinbart war. Die 11 Reinigungskräfte in den Theatern bezog sie nicht in den Kreis der zu Kündigenden ein. Ferner nahm sie die Arbeitnehmerinnen mit besonderem Kündigungsschutz (Mutterschutz, Erziehungsurlaub, Schwerbehinderte, Personalrat) sowie 2 mit 36 Wochenstunden beschäftigte Reinigungskräfte des Amtes 51 aus der Sozialauswahl aus.

Diese 190 Reinigungskräfte teilte die Beklagte in vier Gruppen entsprechend der jeweils von den...

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