Verfahrensgang

ArbG Dessau (Urteil vom 30.03.1994; Aktenzeichen 4 Ca 578/93)

ArbG Dessau (Urteil vom 04.03.1994; Aktenzeichen 4 Ca 578/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.07.1997; Aktenzeichen 8 AZR 677/95)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil desArbeitsgerichts Dessau vom30.03.1994 – 4 Ca 578/93 – abgeändert.

DasVersäumnisurteil desArbeitsgerichts Dessau vom04.03.1994 –4 Ca 578/93 – wird aufrechterhalten.

Das beklagte Land trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen die außerordentliche, auf Abs. 5 Nr. 2 Einigungsvertrag gestützte Kündigung des beklagten Landes vom 11.11.1993.

Die Klägerin ist am … geboren. Sie ist unverheiratet und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Die Klägerin war Mitglied der SED. Etwa Anfang 1989 ist sie aus der Partei ausgetreten.

Die Klägerin war nach ihrer Facharbeiterprüfung im Jahre 1958 bis März 1962 als Pionierleiterin und anschließend bis August 1963 als Finanzsachbearbeiterin in der Bezirksleitung der PO. tätig. Ab 01.09.1963 bis zum 31.08.1964 war sie Klubhausleiterin beim Rat der Stadt …. Anschließend arbeitete sie vom 01.09.1964 bis 30.04.1965 als Schulsekretärin der Kreisleitung der FDJ …. Danach war sie zunächst wieder als Pionierleiterin beschäftigt.

Die Klägerin hat einen Hochschulabschluß als Diplomlehrerin für Deutsch erworben. Seit dem 01.09.1971 ist sie als Lehrerin beschäftigt. In den 80er Jahren war sie an ihrer Schule Mitglied und zeitweise auch Vorsitzende der Gewerkschaftsleitung. Andere Partei- usw. funktionen in der Schule nahm sie nicht wahr.

Am 22.05.1964 unterschrieb die Klägerin eine Verpflichtungserklärung für das MfS. Wegen des Inhaltes im einzelnen wird Bezug genommen auf die Fotokopie Blatt 79 der Akten. Dem war vorausgegangen, daß ein hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS der Klägerin gesagt hatte, sie sei aufgrund ihrer Stellung als Klubhausleiterin verpflichtet, mit dem MfS zusammenzuarbeiten. Die Klägerin führte den Decknamen …”.

Die Klägerin war bis zum 21.04.1966 als IM erfaßt. Danach war sie für das MfS nicht mehr tätig. Laut Einzelbericht zum Schreiben des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vom 23.09.1993 befinden sich in den dortigen Unterlagen der Klägerin 17 Treffberichte des Führungsoffiziers sowie fünf hand- und vier maschinenschriftliche, mit dem Decknamen unterschriebene Berichte, in denen die Klägerin über Vorkommnisse im Arbeitsbereich, u. a. über die FDJ- und Klubarbeit in … berichtet und in denen sie Personeneinschätzungen über Charakter, politische Einstellung und das Freizeitverhalten der Betreffenden gibt. Wegen der drei zur Akte gelangten handschriftlichen Berichte wird im einzelnen Bezug genommen auf die Fotokopie Blatt 30 bis 33 der Akten.

Im vorstehenden Einzelbericht des Bundesbeauftragten ist als Grund der Beendigung der inoffiziellen Tätigkeit „Arbeitsplatzwechsel und familiäre Gründe” genannt. Unstreitig ist, daß die inoffizielle Tätigkeit für das MfS auf Initiative der Klägerin beendet wurde. Die Klägerin hatte unter dem Vorwand, wegen der ständigen Erkrankung ihrer Kinder und der zeitlichen Belastung durch die Aufnahme eines Fernstudiums nichts (mehr) berichten zu können, ihrem Führungsoffizier erklärt, zur Zusammenarbeit mit dem MfS nicht mehr bereit zu sein.

Die Klägerin war zuletzt an der Sekundarschule in … tätig. Sie verneinte sowohl in ihrer Selbstauskunft zum Personalbogen vom 08.05.1991 als auch in ihrer Erklärung über die Vordienstzeiten vom 12.07.1992 die Frage nach einer jemals erfolgten Zusammenarbeit mit dem MfS. Dies verneinte die Klägerin (zunächst) auch im Rahmen eines Personalgesprächs am 03.11.1993.

Mit Schreiben vom 10.11.1993 hörte das beklagte Land den Lehrerbezirkspersonalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Klägerin gemäß Abs. 5 Nr. 2 EV an. Wegen des Inhaltes des Anhörungsschreibens wird Bezug genommen auf Blatt 71 und 72 der Akten. Mit Schreiben vom selben Tage teilte die Vorsitzende des Lehrerbezirkspersonalrats dem beklagten Land mit, der Personalrat habe in seiner heutigen Beratung beschlossen, sich zu der außerordentlichen Kündigung der Klägerin nicht zu äußern.

Mit Schreiben vom 11.11.1993, das der Klägerin am 13.11.1993 zugegangen ist, kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis unter Bezugnahme auf Abs. 5 Nr. 2 EV fristlos mit Ablauf des 19.11.1993, da die Klägerin für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR tätig war und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles unzumutbar sei. Im übrigen wird wegen des Kündigungsschreibens Bezug genommen auf die Fotokopie Blatt 10 und 11 der Gerichtsakten.

Mit ihrer am 30.11.1993 beim Arbeitsgericht Dessau eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei in Ermangelung eines wichtigen Grundes unwirksam. Die Klägerin, hat vorgetragen, ihr sei im Jahre 1964, als sie sich zur inoffiziellen Mitarbeit für das MfS verpflichte...

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