Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmerentscheidung zur Personalreduzierung. Kinderbetreuungseinrichtung. Formelle Mängel der Beschlussfassung. § 1 KSchG. § 20 KiBeG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Entschließt sich der Träger einer Kinderbetreuungseinrichtung, seinen Personalbestand entsprechend einem geänderten landesgesetzlichen Mindestpersonalschlüssel zu senken, bedarf es im Rechtsstreit zur Darstellung des hieraus folgenden Personal Überhangs in der Regel keiner näheren Darlegung von organisatorischer Durchführbarkeit und Dauerhaftigkeit der Maßnahme, solange der Arbeitnehmer nicht seinerseits aufzeigt, warum die Personalreduzierung ausnahmsweise nicht durchführbar ist.

2. Formelle Mängel der Beschlussfassung zur Personalreduzierung stehen einer auf die Reduzierung gestützten betriebsbedingten Kündigung dann nicht entgegen, wenn aufgrund aller sonstigen Umstände im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass bei Ablauf der Kündigungsfrist mit einem Personalüberhang zu rechnen ist. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn eine Korrektur der Beschlussfassung nicht zu erwarten ist, der Arbeitgeber ein Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahren durchgeführt hat und nach Anhörung des Betriebsrats sämtliche Kündigungen gemäß der Beschlussfassung ausspricht.

3. Zu Inhalt und Bedeutung des Personalschlüssels in § 20 Abs. 1 KiBeG LSA i.d.F. vom 07.04.1999.

 

Normenkette

KSchG § 1; KiBeG § 20

 

Verfahrensgang

ArbG Dessau (Entscheidung vom 25.08.1999; Aktenzeichen 8 Ca 162/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des ArbG Dessau vom 25.08.1999 – 8 Ca 162/99 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung sowie über die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin.

Der Beklagte betreibt als gemeinnütziger Verein in freier Trägerschaft 12 Kinderbetreuungseinrichtungen im Landkreis … Die am 02.06.1970 geborene, verheiratete Klägerin war bei ihm seit dem 01.08.1990 als Erzieherin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 32 Stunden zu monatlich 2.733,38 DM brutto beschäftigt.

Im Februar 1999 beschloss der Landtag des Landes Sachsen-Anhalt eine grundlegende Änderung des Gesetzes zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen (Kinderbetreuungsgesetz – KiBeG), die am 07.04.1999 verkündet wurde und am 31.08.1999 in Kraft trat. Danach sollte die finanzielle Förderung von Kinderbetreuungseinrichtungen in Sachsen-Anhalt, die im Vergleich mit den übrigen Bundesländern einen Spitzenplatz einnahm, reduziert werden. Nach der alten Regelung wurde der Bedarf an Betreuungsplätzen für Kinderkrippen (0 – 3 Jahre), Kindergärten (3 Jahre bis zum Schuleintritt) und Hortbetreuung (Schuleintritt bis Abschluss Förderstufe) jährlich aufgrund eines durch Satzung der Landkreise und kreisfreien Städte zu beschließenden Bedarfs- und Entwicklungsplanes (im Folgenden: BEP) festgestellt. Der BEP war gemäß § 9 Abs. 3 KiBeG a.F. in 2 Zeitabschnitte zu unterteilen (01.08.–31.12. sowie 01.01. bis 31.07. des Folgejahres) und hatte für diese Abschnitte jeweils die Zahl von Betreuungsplätzen anzusetzen, die dem jeweiligen Monat mit der voraussichtlichen Höchstbelegung entsprach. Entsprechend dieser Festlegung zahlte das Land Zuschüsse (zuletzt je im BEP ausgewiesenen Platz bei Ganztagsbetreuung etwa 531,00 DM für die Kinderkrippe, 393,00 DM für den Kindergarten und 122,00 DM für den Hort). Die tatsächliche Belegung der jeweiligen Höchstbelegungsmonate durfte die im BEP festgelegte Belegungszahl um bis zu 15 % unterschreiten, ohne dass sich der Anspruch auf die Zuschüsse verminderte (§ 17 Abs. 7 KiBeG a.F.). Für Teilzeitbetreuung fielen nur anteilige Zuschüsse an. Gemäß § 20 KiBeG a.F. hatte der Einrichtungsträger eine ausreichende Zahl geeigneter pädagogischer Fachkräfte vorzuhalten, anderenfalls Rückforderungsansprüche drohten (§ 7 KiBe VO a.F. vom 19.02.1997). § 20 Abs. 3 KiBeG a.F. bestimmte die ausreichende Zahl der Fachkräfte pro im BEP ausgewiesenen Betreuungsplatz in der Kinderkrippe mit 0,2 Erzieherinnen, im Kindergarten mit 0,11 Erzieherinnen und im Hort 0,05 mit Erzieherinnen.

Die zum 01.08.1999 in Kraft getretene Neuregelung senkt in § 17 die pauschalen Landeszuschüsse stufenweise bis zum 01.01.2002 um über 30 % ab (für Krippe, Garten und Hort in der Endstufe auf 360,00 DM, 270,00 DM und 85,00 DM, vgl. § 17 Abs. 1 n.F.). Grundlage für die Berechnung der Zuschüsse sind zudem nicht mehr die im BEP festgelegten Höchstbelegungszahlen, sondern die veränderliche Zahl der jeweils vereinbarungsgemäß „betreuten Kinder” (sogenanntes Spitzabrechnungsverfahren). Demzufolge entfällt auch die 15-prozentige Unterbelenungstoleranz. Eine Ganztagsbetreuung setzt gemäß § 13 Abs. 2 KiBeG ein mindestens 10-stündiges Betreuungsangebot je Betreuungstag voraus. Für Teilzeitbetreuung ist eine anteilige Kürzung des Zuschusses nicht me...

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