Verfahrensgang

ArbG Saarbrücken (Urteil vom 29.10.1991; Aktenzeichen 1 Ca 68/91)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 29.10.1991 (Az.: 1 Ca 68/91) abgeändert und wie folgt entschieden:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin rückwirkend ab 1.7.1990 die Bewährungszulage gemäß der Ausführungsbestimmung Nr. 5 zur Vergütungsgruppe VII, Tarifstille 4.1 der Anlage 1 des Tarifvertrages für die Angestellten der Deutschen Bundesbahn (AnTV) zu zahlen und die sich daraus ergebenden monatlichen Nettobeträge mit 4% seit Klagezustellung bzw. bei späterer Fälligkeit ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt zu verzinsen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1953 geborene Klägerin wurde 1969 bei der Beklagten als Stenotypistin eingestellt, wobei das Arbeitsverhältnis sich nach dem Tarifvertrag für die Angestellten der Deutschen Bundesbahn vom 6.6.1961 (im folgenden AnTV) mit den ihn ergänzenden und ändernden Tarifverträgen richtet.

Ab 1.12.1971 ist die Klägerin in Vergütungsgruppe VII AnTV eingruppiert. Nach Ausführungsbestimmung Nr. 5 zu Anlage 1 AnTV erhalten Angestellte, die unter diese Tarif stelle fallen, nach zwölfjähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe eine monatliche Grundvergütung von 9,5 % der Anfangsvergütung Gruppe VII. Es heißt in der Ausführungsbestimmung Nr. 5: § 13 a AnTV gilt sinngemäß. Dessen Absatz 4 lautet:

Die Bewährungszeit muß ununterbrochen zurückgelegt sein. Unterbrechungen von jeweils bis zu sechs Monaten – bei Ableistung des Grundwehrdienstes, des zivilen Ersatzdienstes nach dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz, bei Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 sowie bei Beschäftigungsverboten (Schutzfristen) und Mutterschaftsurlaub nach dem Mutterschutzgesetz bis zu deren Dauer sowie für die Dauer des Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz – sind unschädlich.

Die Zeiten der Unterbrechung, mit Ausnahme der Zeiten

  1. eines Urlaubs nach §§ 25 bis 25 c,
  2. eines Sonderurlaubs nach § 25 d Abs. 1,
  3. einer Arbeitsbefreiung nach § 26,
  4. einer Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 21 Abs. 1 bis zu 26 Wochen,
  5. der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz

werden auf die Bewährungszeit jedoch nicht angerechnet.

Wegen der Verweisung auf § 13 a AnTV wird die Zulage auch „Bewährungszulage” genannt.

Ab 1.11.1978 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin in ein Teilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt. Vom 11.11.1980 bis 10.11.1991 war ihr Sonderurlaub gewährt, nachdem sie nach der Geburt ihres zweiten Kindes am 2.5.1980 Mutterschaftsurlaub genommen hatte.

Nach der Ausführungsbestimmung zu § 13 a AnTV gehen bei einer längeren Unterbrechung als sechs Monate bzw. nach Ablauf der vorgesehenen längeren Unterbrechungszeiten die vor der Unterbrechung zurückgelegten Zeiten verloren. Deshalb rechnet die Beklagte die in der Zeit vom 1.12.1971 bis 10.11.1980 zurückgelegten Bewährungszeiten der Klägerin als verloren und setzte den Beginn der Frist für die Zahlung der Bewährungszulage mit Schreiben vom 28.8.1989 auf den 6.12.1996 fest, wobei sie die Zeiten vom 11.11.1981 bis 10.5.1987 hälftig anrechnete.

Die Klägerin hat im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Regelung in § 13 a Abs. 4 AnTV verstoße gegen Artikel 3 GG und Artikel 119, 117 EWG-Vertrag. Da fast ausschließlich Frauen Erziehungsurlaub bzw. Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge für Kindererziehung in Anspruch nähmen, stelle der Wegfall der Bewährungszeiten eine mittelbare Ungleichbehandlung der Frauen dar. Diese Wertung habe der Gesetzgeber durch das Verbot der Unterbrechung von Bewährungszeiten im Bundeserziehungsgeldgesetz zum Ausdruck gebracht.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin rückwirkend ab 1. Juli 1990 die Bewährungszulage AB/AB 7 zur Vergütungsgruppe VII Angestelltentarifvertrag der Deutschen Bundesbahn zu zahlen;
  2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und folgende zwei Fragen zur Vorabentscheidung dem Europäischen Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vorzulegen:

    Liegt ein Verstoß gegen Artikel 119 EWG-Vertrag in Form der „mittelbaren Diskriminierung von Frauen” vor, wenn der Angestelltentarifvertrag der Deutschen Bundesbahn bestimmt:

    Die Bewährungszeiten müssen ununterbrochen zurückgelegt werden, wobei Unterbrechungen von 6 Monaten unschädlich sind, wenn mehr als 90 % der Mitarbeiter, die Sonderurlaub für die Kindererziehung ohne Fortzahlung der Bezüge für länger als 6 Monate genommen haben und deren Beschäftigungszeiten bei der Deutschen Bundesbahn vor dem Sonderurlaub nicht als Bewährungszeit angerechnet werden, weiblichen Geschlechts sind?

  3. Für den Fall der Bejahung der Frage:

    Gebietet Artikel 119 in Verbindung mit Artikel 117 EWG-Vertrag, daß für Mitarbeiter, die vor Einführung des Erziehungsgeldgesetzes Sonderurlaub für Kindererziehung ohne Fortzahlung der Bezüge für länger als sechs Monate genommen haben, die Bewährungszeiten, ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge