Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifautonomie. Differenzierung zwischen befristet und unbefristet Beschäftigten aus sachlichen Gründen

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Tarifvertragsparteien sind befugt, eine Besitzstandszulage für Lohneinbußen nur für unbefristet Beschäftigte zu vereinbaren.

 

Normenkette

TzBfG § 4; GG Art. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Saarbrücken (Urteil vom 19.04.2002; Aktenzeichen 6c Ca 25/02)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarbrücken vom 19.4.2002, Az. 6c Ca 25/02, wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin eine tarifvertragliche Besitzstandszulage zu zahlen.

Die Klägerin ist als Arbeiterin bei der Beklagten in der Niederlassung Produktion BRIEF Saarbrücken seit dem 7.6.1999, zunächst aufgrund mehrfacher Befristungen, zuletzt durch Vertrag vom 25.10.2000 vom 1.11.2000 bis 31.5.2001 befristet, seit dem 1.6.2001 unbefristet mit einer regelmäßigen durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden, zuvor von 12 Stunden, beschäftigt (vgl. Bl. 9 d.A.). Es wurde vereinbart, dass die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Post AG in ihrer jeweiligen Fassung gelten.

Die Beklagte schloss im April 2000 mit der Deutschen Postgewerkschaft den Tarifvertrag Nr. 75 d, der ab 1. Januar 2000 seine Wirkung entfalten sollte. Darin wurde die Einführung eines neuen Entlohnungssystems vereinbart. Die Eckpunkte des Tarifvertrages wurden im Wege eines gegenseitigen Gebens und Nehmens erzielt. Die Beklagte verzichtete u. a. auf betriebsbedingte Beendigungskündigungen bis Ende 2004, schloss die sog. Fremdvergabe von Zustellbezirken an Drittfirmen bis Ende 2003 aus und verpflichtete sich zur Einstellung von weiteren 1.200 Arbeitskräften. Auf der anderen Seite erklärte sich die Deutsche Postgewerkschaft mit der Einführung eines leistungsbezogenen Entlohnungssystems einverstanden, was bei den Beschäftigten der Beklagten zu einer deutlichen Einkunftsverminderung geführt hat. Die durch die Einführung des neuen Entlohnungssystems entstandene Lohndifferenz soll durch die Zahlung der sog. Besitzstandszulagen gemäß §§ 24, 25 des Tarifvertrages Nr. 75 d Dritter Teil-Entgelttarifvertrag der Arbeiter (im folgenden ETV-Arb. genannt) – ausgeglichen werden.

Die Besitzstandszulagen sollen gemäß § 23 ETV-Arb. nicht sämtlichen Mitarbeitern zustehen. Vielmehr bestimmt § 23 ETV-Arb.:

§ 23

Geltungsbereich für § 24 und § 25

Für die Arbeiter, die am 31.12.2000 bereits und am 01.01.2001 noch in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post AG standen und stehen, finden die Regelungen der §§ 24 und 25 für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses Anwendung.

Mit der am 5. Februar 2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr die Besitzstandszulagen gemäß §§ 24, 25 ETV-Arb. jeweils ab 1. Januar 2001 monatlich zu zahlen sind, wobei ihre monatliche Vergütungsminderung in etwa 200,– Euro beträgt.

Die Beklagte ist bereit, eine rechtskräftige Feststellung zu akzeptieren und gegebenenfalls entsprechend abzurechnen.

Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass § 23 ETV-Arb. soweit unwirksam sei, wie Arbeiter aus dem Geltungsbereich ausgenommen werden, welche nicht ‚am 31.12.2000 bereits und am 1.1.2001 noch’ in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Deutschen Post AG standen. Dies ergebe sich insbesondere aus § 4 Abs.2, S.1 TzBfG, der den Grundsatz normiere, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer nicht aufgrund der Befristung ihres Arbeitsplatzes schlechter behandelt werden dürften als vergleichbare unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer und aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin in entsprechender Anwendung von § 24 des Entgelttarifvertrages für die Arbeiter (Dritter Teil des Tarifvertrages Nr. 75d zwischen der Deutschen Post AG und der Deutschen Postgewerkschaft e.V. vom 20.10.2000) in Verbindung mit der dortigen Anlage 6 rückwirkend ab dem 1.1.2002 eine monatliche Besitzstandszulage (Besitzstandszulage Lohn) zu zahlen,
  2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin in entsprechender Anwendung von § 25 des Entgelttarifvertrages für die Arbeiter (Dritter Teil des Tarifvertrages Nr. 75d zwischen der Deutschen Post AG und der Deutschen Postgewerkschaft e.V. vom 20.10.2000) in Verbindung mit der dortigen Anlage 9 rückwirkend ab dem 1.1.2002 eine monatliche Besitzstandszulage (Besitzstandszulage Zuschläge) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertrat die Ansicht, dass § 4 Abs.2, S.1 TzBfG auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, da das TzBfG erst nach dem Abschluss des ETV-Arb. am 1.1.2001 in Kraft getreten ist.

Des Weiteren meinte sie, dass auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG vorliege, da die Tarifvertragsparteien wegen des insoweit vorrangigen Grundrechts der Koalitio...

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