Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Schwerbehinderten. Außerordentliche Kündigung. Zustimmungsfiktion. Unverzüglicher Ausspruch der Kündigung. Sonderkündigungsschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine außerordentliche Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers ist unwirksam, wenn sie entgegen § 91 Abs. 5 SGB IX nicht unverzüglich nach Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 91 Abs. 3 S. 2 SGB IX erklärt worden ist. Eine Kündigung ist i.S.v. § 91 Abs. 5 SGB IX erst erklärt, wenn sie dem Arbeitnehmer nach § 130 BGB zugegangen ist, wofür die Absendung der Kündigungserklärung an den Arbeitnehmer nicht genügt.

 

Normenkette

SGB IX §§ 85, 91 Abs. 3, 5; KSchG § 1; BGB § 130; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 09.10.2003; Aktenzeichen 4 Ca 1126/03)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 09.10.2003, AZ: 4 Ca 1126/03, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen sowie einer ordentlichen Kündigung.

Der 1952 geborene Kläger war seit dem 04.05.1990 bei der Beklagten als Chemiefacharbeiter beschäftigt. Er hat einen Grad der Behinderung von 50.

Am 08.10.2002 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Handverletzung zuzog und in dessen Folge er arbeitsunfähig erkrankte. Am 11.12.2002 führte der Betriebsleiter des Betriebs, in welchem der Kläger beschäftigt war, mit dem Kläger im Beisein des Betriebsvertrauensmannes, Herrn O, ein Gespräch bezüglich des Arbeitsunfalls und des voraussichtlichen Zeitpunktes der Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit. Im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme nahm der Kläger am 20.01.2003 seine Arbeit wieder auf. Bereits am 28.01.2003 musste die Maßnahme jedoch aus gesundheitlichen Gründen wieder abgebrochen werden. Zur Klärung der weiteren Vorgehensweise führten sodann der Betriebsleiter sowie die Mitarbeiterin der Einheit Arbeits – und Betriebsverfassungsrecht, Frau W, mit dem Kläger am 04.02.2003 ein Gespräch, an dem der Betriebsvertrauensmann ebenfalls teilnahm. Im Verlauf dieses Gesprächs wurde dem Kläger der Abschluss eines Aufhebungsvertrages angeboten. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab.

Über das Gespräch vom 04.02.2003 fertigte die Mitarbeiterin der Einheit Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht, Frau W, unter dem Datum vom 11.02.2003 eine Gesprächsnotiz an, welche sie dem Kläger nach Hause übersandte und die dieser am 14.02.2003 erhielt. Hierauf nahm der Kläger telefonischen Kontakt zu Frau W auf und verlangte von ihr die Abänderung der Gesprächsnotiz in zwei Punkten. Der weitere Inhalt des betreffenden Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. Wegen der Gesprächsnotiz vom 11.02.2003 rief der Kläger außerdem den Betriebsvertrauensmann, Herrn O, an. Die Äußerungen des Klägers im Rahmen dieses Telefonats sind ebenfalls zwischen den Parteien streitig.

Nach Behauptung der Beklagten hat der Kläger in dem mit Frau W geführten Telefongespräch geäußert, er habe die Unterredung vom 04.02.2003 zu Beweiszwecken auf Band aufgezeichnet. Die selbe Behauptung habe der Kläger im Rahmen des mit dem Betriebsvertrauensmann, Herrn O, am 04.02.2003 geführten Telefonats aufgestellt und dabei darüber hinaus auch erklärt, dass er die Unterredung mit dem Betriebsleiter vom 11.02.2003 ebenfalls auf Tonband aufgenommen habe.

Wegen der nach ihrer Behauptung getätigten Äußerungen des Klägers hinsichtlich der Aufzeichnung von Gesprächen auf einen Tonträger beantragte die Beklagte beim Integrationsamt mit Schreiben vom 21.02.2003, welches dort am 24.02.2003 einging, die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das Datum des Eingangs des betreffenden Antrags wurde der Beklagten mit Schreiben des Integrationsamtes vom 24.02.2003 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 10.03.2003 teilte das Integrationsamt der Beklagten mit, dass nach Ablauf der 2 – Wochenfrist ab Antragseingang die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung als erteilt gilt.

Mit Anhörungsschreiben vom 13.03.2003 wurde der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses angehört. Der Betriebsrat hat sodann mit Schreiben vom 17.03.2003 Bedenken gegen den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung erhoben.

Die Beklagte kündigte sodann das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.03.2003, welches dem Kläger am 18.03.2003 ausgehändigt wurde, fristlos. Hiergegen richtete sich die vom Kläger am 30.03.2003 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage. Darüber hinaus hat der Kläger in seiner Klageschrift den Antrag gestellt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Mit Bescheid vom 13.05.2003 erteilte das Integrationsamt auf Antrag der Beklagten die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte d...

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